Come on, Come on

Regisseur Mike Mills kam auf die Idee zu seinem neuesten Film durch ein Gespräch mit seinem Sohn. Vielleicht ging es dabei genau über das Thema, auf das sich der Radioreporter Johnny spezialisiert hat. Zusammen mit einer zweiköpfigen Crew reist er durch die USA, um Kinder zu befragen, wie sie sich die Zukunft vorstellen. Selber hat Johnny kein Kind. Eines Tages bittet ihn seine Schwester, auf ihren Sohn Jesse aufzupassen. Zunächst ist Johnny damit völlig überfordert. Mit der Zeit aber entwickelt sich zwischen beiden mehr und mehr eine tiefe Freundschaft.

„Come on, Come on“ ist ein sehr ruhiger Film, der sich damit befasst, wie Kinder die Welt sehen. Dabei geht es um Familienprobleme, Gedanken über den Tod, Religion und eben darum, wie sie sich die Zukunft vorstellen. Die Interviews, die Hauptdarsteller Joaquin Phoenix mit den Kindern führt, sind echt. Speziell diese Szenen sind unglaublich liebevoll umgesetzt.

Die Geschichte selbst hat teilweise etwas von einem pädagogischen Ratgeber an sich, was dazu führt, dass der Zuschauer in eine Art Doku-Modus umschaltet. Möglicherweise ist dies von Mills auch so gewollt, versucht er doch, alles völlig natürlich wirken zu lassen. Woody Norman, der den Jungen spielt, ist dabei so überzeugend, dass man sich fragt, was davon gespielt und was echt ist, was auch damit etwas zu tun hat, dass Mike Mills den Film zu einem durchaus persönlichen Film macht.

Joaquin Phoenix überzeugt hierbei wie immer auf ganzer Linie. Nach seiner kongenialen Rolle als Joker zeigt er auch hier, dass er zu den besten Schauspielern zählt. Mit einer ungeheuren Vielschichtigkeit und Emotionalität verkörpert er den Radioreporter, der Schuldgefühle gegenüber seiner verstorbenen Mutter mit sich herumträgt sowie mit einer früheren Beziehung einfach nicht abschließen kann.

Dem gegenüber steht Jesse, dessen Vater unter einer bipolaren Störung leidet, was ihn, den Jungen, traumatisiert hat. Mike Mills verhindert gekonnt, Kitsch zu umschiffen, sondern, wie bereits erwähnt, lässt alles so natürlich wie möglich erscheinen. Manchmal, wie gesagt, geht er dabei ein bisschen zu weit, sodass man glaubt, einen pädagogischen Lehrfilm vor sich zu haben. Insgesamt aber ist „Come on, Come on“ ein sehr schöner Film, der aufgrund seiner speziellen Machart unter den derzeitigen Produktionen deutlich hervorsticht.

Come on, Come on. Regie u. Drehbuch: Mike Mills, Darsteller: Joaquim Phoenix, Woody Norman, Gaby Hoffmann. USA 2021, 106 Min.

Happy Hour – Der fünfstündige Spielfilm aus Japan

Regisseur Ryusuke Hamaguchi ist zurzeit mit seinem neuesten Film „Drive my Car“ in aller Munde. Die mehrfach preisgekrönte Produktion erhielt kürzlich den Golden Globe als bester fremdsprachiger Film. 2015 erregte Ryusuke Hamaguchi bereits Aufsehen durch sein Drama „Happy Hour“. Dies nicht nur aus dem Grund, da der Spielfilm über fünf Stunden lang ist, sondern vor allem durch seine minutiöse Betrachtung der japanischen Gesellschaft.

Fumi, Sakurako, Jun und Akari bei einem ihrer Ausflüge; „Happy Hour“ (2015), © Icarus Films

Die Geschichte ist im Grunde genommen recht einfach erzählt: es geht um die vier Freundinnen Fumi, Sakurako, Jun und Akari. Fumi arbeitet als Kuratorin in einem Kunstzentrum, Sakurako ist Hausfrau, Jun arbeitet in einer Schnellküche und Akari ist als Krankenschwester tätig. Eines Tages erzählt Jun, dass sie sich von ihrem Mann scheiden lassen möchte. Dies löst bei den Freundinnen unterschiedliche Reaktionen aus. Zugleich aber beginnen sie über ihr eigenes Leben nachzudenken und darüber, ob sie wirklich glücklich sind.

Ryusuke Hamaguchi nimmt dies als Auslöser dafür, die durch Traditionen geprägten Beziehungen sowie die Stellung von Mann und Frau in der japanischen Gesellschaft zu analysieren. Auf eine überaus detaillierte Weise zeigt der Regisseur den Alltag der vier Frauen, ohne langatmig zu werden. Im Gegenteil, die Handlung ist aufgrund ihrer zahlreichen Konflikte sehr dicht, das Geschehen entfaltet sich mehr und mehr, wobei es teilweise auch zu durchaus überraschenden Wendungen kommt.

Juns Erwähnung ihrer Scheidung hat letztendlich negative Auswirkungen auf die Beziehungen der anderen Frauen. Vor allem Fumi und Sakurako fühlen sich in ihren Rollen als Ehefrau von Mal zu Mal unwohler und versuchen, aus ihren Rollen auszubrechen. Vor allem in Fumis Beziehung führt dies zu einem tragischen Ereignis. Zugleich stellt Juns Äußerung die Freundschaft der vier Frauen mehr und mehr auf die Probe.

Die Tragik ergibt sich allerdings auch daraus, da den Männern aufgrund des traditionellen und soziokulturellen Rahmens, in dem sie aufgewachsen sind, keineswegs bewusst ist, dass sie ihre Frauen unglücklich machen. So sagt z.B. Sakurakos Mann, dass er gar nicht weiß, wie er anders handeln könne. Daher ist „Happy Hours“ zwar ein Frauenfilm, aber keineswegs ein feministischer Film, da er versucht, beide Seiten zu verstehen.

Doch unabhängig von dem sozialkritischen Inhalt, besticht der Film zusätzlich durch eine erstklassige Optik sowie einer ungeheuer guten Montage. Zwischendurch lässt Hamaguchi immer mal wieder eine leichte Ironie erkennen sowie einen sehr schwarzen Humor, der in den Bildkompositionen mit eingewoben ist. Apropos Bildkomposition: Ryusuke Hamaguchi überlässt nichts dem Zufall. Die einzelnen Szenen sind nicht nur sehr sorgfältig, sondern regelrecht perfekt konzipiert. Ob es nun Personen sind, die an einem Tisch sitzen, oder Menschen, die an einer Ampel warten – jeder einzelne Aspekt hat seinen Sinn und beinhaltet eine Symbolik, die so ausgeprägt ist, dass der Film und die Figuren eine immense Tiefe erhalten.

In Locarno wurden die vier Hauptdarstellerinnen (alle sind Laienschauspielerinnen) mit dem Leopard ausgezeichnet. Zurecht, denn was Maiko Mihara, Hazuki Kikuchi, Rira Kawamura und Sachie Tanake zeigen, ist allerhöchste Schauspielkunst. Sie spielen so, als wären sie selbst die Figuren und dies mit einer Natürlichkeit, die erstaunt. Doch auch die Nebendarsteller wirken sehr überzeugend, auch hier handelt es sich um Laienschauspieler, die Hamaguchi während eines Schauspiel-Workshops kennengelernt hat.

Filmkritiker überboten sich mit Lobeshymnen, manche meinten, „Happy Hour“ sei der beste japanische Film seit der Jahrtausendwende. „Happy Hour“ ist auf jeden Fall ein hervorragender Spielfilm, der, ähnlich wie „Tokyo Story“ (1953), das Zeug hat, ein Klassiker zu werden.

Natürlich braucht man aufgrund der Spieldauer von fünf Stunden (der Film ist in drei Filme unterteilt) einen langen Atem. Aber es lohnt sich allemal.

Zurzeit gibt es „Happy Hour“ in der Arte-Mediathek zu sehen.

Der Wolverden-Turm – Ein neues Meisterwerk der Reihe Gruselkabinett

Grant Allen (1848 – 1899) ist hierzulande leider völlig unbekannt, ganz im Gegensatz zum englischsprachigen Raum, wo er zu den klassischen Kriminalautoren zählt. Ihm zu Ehren findet in Kanada das jährliche Scene of the Crime Festival statt. Zu seinen Lebzeiten war Allen befreundet mit Arthur Conan Doyle sowie dem Soziologen Herbert Spencer, mit dem zusammen er sogar eine wissenschaftliche Abhandlung verfasste.

Obwohl Allen vor allem Kriminalromane verfasste, so war er so gut wie in allen Genres beheimatet. Er schrieb  u. a. hervorragende unheimliche Erzählungen, wie z. B. „The Wolverden-Tower“, die in seinem kurz vor seinem Tod zusammengestellten Erzählband Twelve Tales zu finden ist und nun von Marc Gruppe und Stephan Bosenius als Hörspiel umgesetzt wurde.

Maisie Llewelyn, eine junge, unverheiratete Frau, erhält kurz vor Weihnachten 1889 eine Einladung von der Millionärin Mrs. West, in ihrem Landhaus Wolverden Hall an einem Gesellschaftsabend teilzunehmen. Maisie ist von dem riesigen Landsitz begeistert. Nicht weniger beeindruckt ist sie von der alten Kirche in unmittelbarer Nähe des Landhauses. Der sonderbare Turm der Kirche wurde erst kürzlich neu errichtet, da der alte Turm, der zuvor dort stand, aus unerklärlichen Gründen eingestürzt ist. Unheimliche Gerüchte ranken sich um dieses Bauwerk. Und schon bald geschehen eigenartige Dinge …

Grant Allen wird bis heute als einer der innovativsten Autoren des 19. Jahrhunderts bezeichnet. Dies gilt nicht nur für die Kriminalliteratur, sondern auch für den Bereich des Phantastischen. Diese Lust, Geschichten ein wenig anders zu erzählen als üblich, macht sich in „The Wolverden-Tower“ auf eindrucksvolle Weise bemerkbar.

Die Erzählung erscheint zunächst wie eine klassische Geistergeschichte. Mehr und mehr aber entwickelt sich die Handlung in eine völlig andere Richtung als man denkt. Auf diese Weise besitzt Der Wolvering-Turm eine solche Originalität, dass sie regelrecht modern wirkt.

Wie immer haben es Marc Gruppe und Stephan Bosenius geschafft, aus dem Stoff ein spannendes Hörspiel zu kreieren. Doch ist das noch zu wenig des Lobes, denn der unheimliche Hörgenuss ist nicht nur spannend, sondern regelrecht packend. Die Ereignisse, die Maisie auf Wolverden Hall widerfahren, lassen einen von der ersten Minute an nicht los. Von Szene zu Szene intensiviert sich das Geschehen.

Wundervoll gesprochen werden die beiden Hauptfiguren Maisie und Mrs. West von Annina Braunmiller-Jest und Dagmar von Kurmin. Ihre Stimmen verleihen den beiden Figuren eine unglaubliche Lebendigkeit, sodass der Begriff Kopfkino mehr als nur zutrifft. Wie immer kommen auch Geräusche und Musik hervorragend zur Geltung. Genial, wenn die Musik nach Maisies Ankunft auf Wolverden Hall auf einmal einen düsteren Klang erhält. Schon wird klar: Etwas Bedrohliches liegt in der Luft.

Grant Allen (1848 – 1899)

Grant Allen war nicht nur Schriftsteller, sondern verfasste auch mehrere wissenschaftliche Bücher. Seine Theorien über Religion, Spuk und Psychologie waren so überzeugend, dass sie sogar Sigmund Freud in seinen Arbeiten erwähnte. Dies beeinflusste auch Allens eigene Geschichten, was dazu führt, dass sie aus dem Rahmen der viktorianischen Geistergeschichte weit hinausragen. Es ist wirklich toll, wie Marc Gruppe diese Aspekte beinahe wie nebenbei in das Geschehen einstreut und auf diese Weise die Originalität der Erzählung auf das Hörspiel eins zu eins überträgt. Es soll hier natürlich nicht verraten werden, um welche Aspekte es sich handelt, denn dies würde viel zu viel verraten. Aber dennoch sei zumindest eines verraten: es ist grandios.

All dies führt dazu, dass die Spielzeit von etwa 43 Minuten wie im Flug vergeht. Der Wolverden-Turm ist wunderbare Gänsehaut-Unterhaltung. Und ich bin von einem überzeugt: Es wird sich garantiert schnell zu einem der Lieblinsghörspiele aus der Reihe Gruselkabinett entwickeln.

Der Wolverden-Turm (Gruselkabinett Folge 143), Buch: Marc Gruppe, Produktion: Marc Gruppe, Stephan Bosenius, Sprecher: Peter Weis, Annina Braunmiller-Jest, Dagmar von Kurmin, Beate Gerlach, Louis Friedemann-Thiele, Kristine Walther, Reinhilt Schneider, Bodo Primus, Claus Thull-Emden. Titania Medien 2018, Spieldauer: ca. 43 Min.

 

Liebster Award

liebster awardVielen Dank an Ines und Katharina von Motionpicturemaniacs, dass sie FILM und BUCH für den Liebster Award nominiert haben! Hier nun die Antworten auf die 11 Fragen:

Wie ist dein Blog zu seinem Namen gekommen?

Das war eigentlich ganz einfach. Als wir (meine Frau und ich) vor drei Jahren das Magazin ins Leben riefen, fiel uns sofort der Titel FILM und BUCH ein, da es in dem Magazin um alles gehen sollte, was mit diesen beiden Begriffen zu tun hat. Zwar liegt der Schwerpunkt eindeutig auf Trash und Horror, doch versuchen wir zugleich, sämtliche Themen abzudecken.

Welche Klischees-Szenen findest du in Filmen am dümmsten (z. B. in Horrorfilmen rennt das dumme Mädel weg und stolpert; Bomben sind mit einer Schaltzeituhr versehen; jedes Schloss lässt sich mit einer Büroklammer öffnen etc.)

Das ist eine gute Frage. Witzig ist z.B., dass jede Frau, die sich auszieht, einen schicken BH trägt.

Welches Filmgenre guckst du am liebsten mit deinen Eltern? Welche siehst du am liebsten mit Freunden?

Da meine Eltern allen Genres gegenüber aufgeschlossen sind, gucken wir, wenn ich denn mal auf Besuch bin, so ziemlich alles, angefangen vom klassischen Krimi bis zum modernen Horrorfilm. Dasselbe gilt bei Freunden.

Welche Art von Filmen guckst du lieber im Kino als zu Hause?

SF-Filme sehe ich mir lieber im Kino an, da die Effekte auf der Leinwand besser zur Geltung kommen.

Wie oft gehst du ins Kino?

Da ich nur selten ins Kino gehe, im Durchschnitt etwa fünfmal im Jahr.

Welches ist dein Lieblingsfilmzitat?

„Wenn irgendwo in der Wüste ein Stück Scheiße liegt, du trittst bestimmt hinein.“ Leider kann ich mich an den Titel des Films nicht mehr erinnern. Auf jeden Fall war es ein französischer Krimi aus den 70er Jahren.

Film Fight Club: In der aktuellen Situation, welcher von Jacks Körperteilen/Gefühlen bist du gerade (z. B.: “Ich bin Jacks entflammtes Gefühl der Ablehnung.”)?

Jacks vollkommenes Defizit an Überraschung.

Welches Gefühl erzeugt bei dir der Film, den du dir am häufigsten geschaut hast?

Am häufigsten und d.h. immer mal wieder sehe ich mir „Fürsten der Dunkelheit“ von John Carpenter an. Der Film ist immer wieder von neuem spannend und gruselig. Neben dem Gruseleffekt, ist es für mich aber auch stets eine schöne Erinnerung, da „Fürsten der Dunkelheit“ der erste Horrorfilm war, den ich im Kino (damals im versifftesten Raucherkino der Stadt) gesehen habe.

Von welchem Film würdest du jedem abraten, außer vielleicht Menschen, die du nicht magst?

Abraten würde ich von „Massage in a Bottle“, einem unerträglich langweiligen und kitschigen Film, bei dem sogar meine Frau damals eingeschlafen ist.

Welcher ist dein Lieblingsbösewicht im Film und warum?

Meine Lieblingsbösewichte sind die Reitenden Leichen aus den gleichnamigen spanischen Horrorfilmen. Besonders im ersten Film gefällt mir, dass ihr Erscheinen den Spukbeschreibungen in klassischen Gespenstergeschichten nachempfunden ist, wodurch eine sehr schöne Gruselästhetik hervorgerufen wird. Aber auch der Trash-Faktor lässt nichts zu wünschen übrig: So ist es immer wieder interessant, dass niemand vor ihnen fliehen kann, obwohl sie sich (jedenfalls zu Fuß) äußerst langsam bewegen.

Welche Art von Blogposts schreibst du am liebsten?

Zurzeit schreibe ich am liebsten Beiträge zur neuen FILM und BUCH-Rubrik „Die Klunkerecke“. Dort stelle ich alte, teils vergessene und neuere Filme vor, bei denen sich ein Entdecken und Wiederentdecken lohnt.

Hier sind die Regeln für den Liebster Award:

  • Danke dem Blogger, der dich nominiert hat.
  • Verlinke den Blogger, der dich nominiert hat.
  • Füge eines der Liebster-Blog-Award Buttons in deinen Post ein. – optional
  • Beantworte die dir gestellten Fragen.
  • Erstelle 11 neue Fragen für die Blogger, die du nominierst.
  • Nominiere Blogs, die weniger als 300 Follower haben.
  • Informiere die Blogger über einen Kommentar, dass du sie nominiert hast.

FILM und BUCH nominiert folgende 11 Blogs für den Liebster Award:

http://tarankino.wordpress.com/

http://kinomensch.wordpress.com

http://infernalcinematicaffairs.wordpress.com

https://magofilmtipps.wordpress.com/

http://emotionsmassagen.wordpress.com

http://mightymovies.wordpress.com

http://filmschrott.wordpress.com

http://buecherstadtkurier.com/

http://1001buecher.wordpress.com

Front

http://realitaetundimagination.wordpress.com

Die 11 Fragen lauten:

  1. Was brachte dich auf die Idee, einen eigenen Blog zu starten?
  2. Auf welche Themen gehst du auf deinem Blog besonders ein?
  3. Film oder Buch, was spricht dich mehr an?
  4. Es gibt kaum noch einen Film, der kein Remake ist. Was hältst du vom derzeitigen Remake-Wahn?
  5. Was ist dein Lieblingsfilm und wieso?
  6. Gibt es Genres, die du nicht magst?
  7. Was hältst du von Trash-Filmen?
  8. Gibt es ein Buch, das dir so gut gefallen hat, dass du es ein zweites Mal oder sogar ein drittes Mal gelesen hast?
  9. Welcher Regisseur ist dein Lieblingsregisseur? Was gefällt dir an den Filmen deines Lieblingsregisseurs besonders?
  10. Welches Filmmonster gefällt dir am besten und wieso?
  11. Siehst du Filme lieber zuhause auf DVD oder im Kino?

Weiterhin viel Spaß beim Bloggen und beim Entdecken anderer Blogs!

K-Pop: Stellar oder Wie Kritik ein Konzept verhagelt

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Teilweise ganz in Weiß präsentieren sich die Mitglieder von Stellar in ihrem neuen Clip und reagieren damit auf die beleidigenden Kritiken zu einem ihrer vorangegangenen Videos.

Mitte März meldete sich die Girl Gruppe Stellar mit ihrem neuen Video „Fool“ zurück auf die Bühne des K-Pop. Das Video war mit Spannung erwartet worden. Der Grund, die beiden vorangegangenen Clips, allen voran „Marionette“, sorgten in Südkorea für recht viel Furore.

„Marionette“ ist wohl eines der erotischsten Musikvideos, die bisher in Korea produziert wurden. Das Video ist keineswegs plump. Die Anspielungen sind direkt, aber zugleich durchaus kunstvoll in Szene gesetzt. „Marionette“ arbeitet mit verschiedenen Unschärfestufen, Dance Shots wechseln sich ab mit kurzen semi-narrativen Einschüben. In einem der gewagtesten Zwischenshots rinnt einer der Sängerinnen Milch in den Ausschnitt, und dies in Großaufnahme.

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Dance-Shot aus dem Video „Marionette“.

Vor „Marionette“ wurde Stellar als die schlechteste Gruppe innerhalb des K-Pop bezeichnet. Das Bild änderte sich schlagartig nach diesem Video. Auf koreanischen Plattformen mehrten sich die Schimpftiraden, welche sich sowohl auf das Video als solches als auch auf das Outfit der Sängerinnen bezog. Die Mitglieder der Gruppe wurden übelst beschimpft. Eine ähnliche Reaktion erfolgte 2014 auf das Video „Move“ der Gruppe 4 Ladies. K-Pop-Experten nehmen an, dass es sich vor allem um junge Frauen und Schülerinnen handelt, die auf ein solches Konzept überaus negativ reagieren. Eine richtige Untersuchung dazu gibt es nicht. Der einzige Hinweis dafür ist, dass bei Videos von Boy Groups, egal wie diese konzipiert sind, nie eine solche Welle an üblen Beschimpfungen erfolgt.

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Ziemlich deprimiert lesen die Sängerinnen in dem Clip „Fool“ die Kritiken zu „Marionette“.

Das Video, das nach „Marionette“ veröffentlicht wurde, trug den Titel „Mask“. Doch wurde dieses kaum wahrgenommen, der Fokus der Aufmerksamkeit richtete sich weiterhin auf „Marionette“. Erst nach mehreren Monaten wurde das am Anfang des Artikels erwähnte neue Video ausgestrahlt. Der aktuelle Clip versteht sich als direkte Reaktion auf die negativen Kommentare, die auf „Marionette“ folgten. Man sieht die Sängerinnen, die sich ihr Video im Internet ansehen, dazu die Kommentare lesen und dabei ziemlich deprimiert wirken. Interessant, ja regelrecht provozierend ist, dass das Video die tatsächlichen Plattformen mit den tatsächlichen Kommentaren (einschließlich Nicknames der Urheber) zeigt. Es ist nicht auszuschließen, dass diese Aufnahmen juristische Konsequenzen haben werden.

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Dance-Shot aus dem Video „Fool“.

Ansonsten ist das Video recht harmlos, teilweise aber etwas zu kitschig. Was die Produzenten mit dem Clip eigentlich aussagen wollten, ist, dass die Zuschauer unterscheiden sollen zwischen Darstellung und den Menschen, die sich hinter der Darstellung verbergen. Eine solche Unterscheidung wird bei vielen Rezipienten nicht vollzogen. Eine Frau in Reizwäsche gilt sofort als „Schlampe“, obwohl dies nur das Kostüm ist, welches die Aura der Darstellung unterstützen soll. Es ist schade, dass einigen Fans es nicht möglich ist, zwischen diesen beiden Aspekten zu unterscheiden. Allerdings ist dies nicht nur ein Fall unserer Tage, sondern durchzieht sich durch die gesamte Medien- und Filmgeschichte. Wie dem auch sei, einen Seitenhieb auf die Kritiker können sich die Produzenten dann doch nicht verkneifen: in einer kurzen Aufnahme wird der Po einer der Sängerinnen direkt von unten gefilmt. Die Aufnahme hat beinahe Applaus verdient, zeigt sie doch das notwendige Mass an Witz und Ironie, um mit den teils hysterischen, teils beleidigenden Kritiken umzugehen. Nichtzuletzt dürfte auch der Titel „Fool“ ein eindeutiges Statement der Produzenten im Hinblick auf die Kritiker sein.

Four Ladies und viele Leute, die sich darüber aufregen

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Die Schlusssequenz des umstrittenen Videos. Psychopathin oder einfach nur Vamp? Diese Frage bleibt offen. (Copyright: Jade Conent Media)

Ende Juli wurde zu später Stunde im koreanischen Fernsehen ein Videoclip gezeigt, der seitdem die Gemüter der K-Pop-Fans erregt. Der Titel des Clips lautete „Move“ und stellte zugleich die erste Single der neuen Girl-Group Four Ladies (auch als 4L bekannt) dar. Seitdem müssen sich die vier jungen Frauen übelste Schimpfwörter gefallen lassen.

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Die Dance Shots werden bestimmt von einer gewagten Choreographie. Im Ganzen aber wirkt diese eher unfreiwillig komisch als erotisch. (Copyright: Jade Content Media)

Der Clip konzentriert sich sehr auf die Sexualisierung der Sängerinnen. Die direkte Form der Choreographie lässt die Erotik allerdings über weite Teile des Videos plump und unfreiwillig komisch erscheinen. Andeutungsweise reiben sich die Sängerinnen zwischen den Beinen oder spreizen diese in einer Totalen. Die durchsichtigen Nylonkostüme verstärken dabei die Intension der Produktionsfirma. Zwischen den Dance Shots ist eine lesbische Liebesbeziehung eingeflochten, wobei der Fokus auf einem angedeuteten Liebesakt zwischen den beiden Protagonistinnen liegt. Diese kurzen Sequenzen sind – trotz Andeutung – sehr intensiv und durchaus gut gemacht. Die Deutung der narrativen Elemente bleibt offen und lässt daher verschiedene Möglichkeiten zu: eine gescheiterte Liebesbeziehung; eine Frau, die zum ersten Mal Sex mit einer anderen Frau hat; eine Psychopathin, deren Opfer gerade nochmals entkommen ist.

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Die eingewobene Narration bezieht sich auf eine lesbische Liebesbeziehung. (Copyright: Jade Content Media)

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Geküsst wird dann aber doch nur der Spiegel. (Copyright: Jade Content Media)

Nach der Erstaustrahlung des Clips im koreanischen Fernsehen, wurde die Produktionsfirma Jade Contents Media gefragt, aus welchem Grund das Musikvideo so stark erotisiert wurde. Die Antwort lautete, dass dies das grundlegende Konzept von 4L sei und sich die Zuschauer auf noch gewagtere Clips gefasst machen sollten. Nun, dahinter steckt sicher eine Menge Angeberei. Denn das Video ist – was die oben erwähnten Dance Shots betrifft – eher vulgär als gekonnt erotisch. Zudem wurden aus anderen Clips wie etwa „Marionette“ der Girl Group Stellar oder „Dr. Feel Good“ von Rania Ideen übernommen. Etwas, das typisch für 4L sein könnte, findet sich in dem Clip eigentlich nicht.

Das Basiskonzept der Gruppe spiegelt sich auf der seit Ende Juli bestehenden Facebook-Seite von 4L wider. Leicht freizügige Porträtfotos stellen die vier Mitlgieder dar. Es ist fraglich, ob das Konzept tatsächlich auf diese Weise aufrecht erhalten werden kann. Bereits die Formation Rania zeigte, dass es viel eher zu Veränderungen hin zu „harmlosen“ Varianten geben wird. Rania war die erste Girl Group, die mit direkten erotischen Anspielungen arbeitete. Das Video „Dr. Feel Good“ musste um mehrere Sekunden gekürzt werden, um einem Sendeverbot zu entgehen. Die folgenden Clips zeigten die Gruppe dann in weniger freizügigen Outfits.

Interessanterweise musste der Clip „Move“ nicht gekürzt werden. Stattdessen erhielt er eine Freigabe „ab 19“, was heißt: nur für Erwachsene. Die Aufregung wird sich schnell wieder legen. In Südkorea erscheinen und verschwinden Girl Groups wöchentlich. Nun, das Video hat zumindest für den angezielten Medienrummel gesorgt. Und das ist ja schon einmal etwas.

 

Zwei Jahre FILM und BUCH

2 Jahre FILM und BUCHUnd schon wieder ist ein Jahr um. Für uns heißt das: zwei Jahre FILM und BUCH. 2010 erblickte das erste e-Magazin das Licht der Welt. Seitdem sind es sieben Ausgaben geworden. Ausgabe 8 ist gerade in Vorbereitung. Interessant ist hierbei, dass Ausgabe 7 und Ausgabe 3 die bisher erfolgreichsten e-Magazine sind. Das Schlusslicht bildet Ausgabe 4.

Seit Sommer 2013 haben wir begonnen, Interviews mit interessanten Regisseuren, Verlegern und Autoren zu führen. Dabei gelang es uns, mit so bekannten Regisseuren wie Larry Fessenden (der führende Indie-Regisseur in den USA), Sebastian Niemann (Regisseur von u. a. „Das Jesus Video“) und Ivan Zuccon (der zurzeit bekannteste italienische Horrorregisseur) in Kontakt zu kommen. Alle drei übrigens unwahrscheinlich nette Menschen. Innerhalb der literarischen Branche konnten wir bisher Interviews mit dem Bestsellerautor Andreas Eschbach, dem Verleger Michael Kirchschlager und den Hörspiel-Produzenten Marc Gruppe und Stephan Bosenius führen.

Zurzeit planen wir, auch japanische und koreanische Filmemacher zu kontaktieren, was sich aber bisher als eher schwierig erwies. Dennoch arbeiten wir weiter daran, denn besonders der koreanische Filmmarkt hat weltweit eine einzigartige Entwicklung durchgemacht, die keineswegs zum Erliegen gekommen ist.

Das Magazin-Blog war übrigens zunächst nur für das e-Magazin gedacht. Da wir aber merkten, dass es zu den unterschiedlichen Themen noch vieles mehr gibt, beschlossen wir, das Blog als eine Ergänzung zum Magazin zu führen. So werden hier mehrmals im Monat neue Artikel, Essays und Rezensionen veröffentlicht (ingesamt befinden sich bisher 120 Texte online). Den Schwerpunkt koreanische Popkultur werden wir weiterhin beibehalten. Inzwischen interessieren sich in Deutschland mehr und mehr Leute für koreanische Filme und K-Pop. Daher werden wir weiterhin versuchen, über die aktuellen Strömungen innerhalb der koreanischen Popkultur zu berichten.

Wir möchten die Chance auch nutzen, um uns bei allen Lesern zu bedanken, die auf unser Blog kommen und unser kostenloses e-Magazin herunterladen (das übrigens nicht nur hier erscheint, sondern auch auf beam-ebooks und auf zulu-ebooks). Wir hoffen, euch weiterhin spannende und interessante Artikel liefern zu können und wünschen euch weiterhin viel Spaß mit FILM und BUCH.

 

 

Lost Footage oder Nicht alles ist billig

Als Lost Footage werden Filme bezeichnet, die vorgeben, Aufnahmen von Personen zu sein, die während ihrer Dreharbeiten spurlos verschwunden oder auf sonderbare Art ums Leben gekommen sind. Viele Zuschauer meinten, dass „Blair Witch Project“ in dieser Hinsicht das Rad neu erfunden hätte. Dem ist nicht so. Bereits Ende der 70er Jahre verwendete Ruggero Deodato diese Stilelemente für seinen Kannibalenfilm „Cannibal Holocaust“. Zudem existierten bereits früher Filme, deren Dramaturgie sich an der Art und Weise von Reportagen orientierte. Als Beispiel sei hier George R. Romeros Klassiker „Night of the Living Dead“ genannt.

Blair_Witch_Project„Blair Witch Project“ befreite allerdings die Handlung von allen mithilfe eines Drehbuchs skizzierten dramaturgischen Elementen und ließ nur noch mehr Improvisation zu. Gleichzeitig kam dem Film die Digitalisierung beim Filmdreh zugute. Digitalkameras führen zu einer deutlichen Senkung der Produktionskosten, da man kein physisches Filmmaterial mehr benötigt und verpatzte Szenen daher keine enormen Zusatzkosten verursachen. Zuschauer reagieren auf improvisierte Szenen, in denen unbekannte Schauspieler agieren, anders als bei einem Spielfilm. Die Rezipienten stellen sich unweigerlich die Frage: Ist das echt? Wichtig hierbei ist natürlich ein passendes Marketing. Ein Film, der sich als Reportage bzw. als Lost Footage verkaufen möchte, muss so tun, als wäre er Teil unserer Realität. Bei „Blair Witch“ geschah dies bekanntermaßen durch Gerüchte, die gezielt in Foren verbreitet und auf einer extra gestalteten Homepage gesammelt wurden. Somit war das Marketing auf einen einfachen psychologischen Reiz ausgelegt: auf die Anstachelung der Neugierde. – Verbunden natürlich mit der gezielten Aufrechterhaltung von Ungewissheit, was die Echtheit des eigentlichen Filmmaterials beinhaltet.

Der Erfolg des Films führte innerhalb kürzester Zeit zu einer Unzahl an weiteren Filmen dieser Art. Dabei erweist sich das Subgenre Lost Footage zwar Genre übergreifend, doch beziehen sich die meisten Produktionen auf das Horrorgenre. Dies hat wiederum Kostengründe. Denn nichts ist so günstig wie einen Horrorfilm zu drehen. Auch die großen Studios versuchten, auf den Zug aufzuspringen und brachten mit Special Effects überfrachtete Produktionen auf den Markt.

Das Konzept, unbekannte Schauspieler für einen quasi-dokumentarischen Film zu verwenden, ist nichts Neues. Man könnte sogar soweit gehen, Lost Footage als eine Art Reanimierung des italienischen Neorealismus zu bezeichnen. Auch damals wurde gezielt mit Laiendarstellern gearbeitet. Das Ziel des Films war es, die Realität so exakt wie möglich wiederzugeben. Manche der damaligen Regisseure vergaßen dabei, eine Geschichte zu erzählen. Der Filmkritiker André Bazin erwähnte z.B. einen Regisseur, dessen größter Wunsch es war, einen Film über einen Menschen zu drehen, der nichts erlebt. In dieser Hinsicht kommen die Lost Footage-Filme dem Konzept des Neorealismus ziemlich nahe. Sie versuchen, ein genaues Abbild der Realität zu schaffen, und einen Großteil des Films geschieht absolut nichts. Auch wenn dies ironisch klingt, so trifft dies dennoch auf die meisten Lost Footage-Filme zu.

Die Vielzahl der Filme, die innerhalb dieses Subgenres produziert werden, bedeutete jedoch auch eine Große Differenz in der Qualität der Produktionen. Billig muss nicht bedeuten, dass ein Film schlecht ist. Aber es heißt auch, dass nicht jeder, der weiß, wie man eine digitale Handkamera bedient, ein guter Regisseur ist. Im folgenden sollen ein paar bekannte und weniger bekannte Lost Footage-Filme als Beispiele aufgeführt werden:

The_St._Francisville_Experiment

St. Francis Experiment (2000) des Regisseurs Fred Nicolaou ist ein Film, in dem so gut wie nichts passiert. Eine Gruppe Wissenschaftler möchte eine Nacht in einem Geisterhaus verbringen, um Beweise für die angeblichen Spukphänomene zu sammeln. Der Film besteht in der Hauptsache aus albernem Herumrennen und langweiligen Dialogen. Der Film führte dazu, dass Nicolaou wieder zu dem zurückkehrte, was er wirklich kann: der Tätigkeit als Filmeditor.

Paranormal_Activity

Paranormal Activity (2007) stammte aus der Feder des Regisseurs Oren Pali. Mit zwei völlig unbekannten Schauspielern drehte er eine Geschichte über Spukphänomene in einem Haus. Das von den Phänomenen geplagte Ehepaar möchte die Ereignisse dokumentieren. In dem sehr erfolgreichen Film passiert nicht sonderlich viel. Dennoch sorgte er beim Publikum für reichlich Gänsehaut. Der Film ist durchaus interessant und er zeigt vor allem, dass keine gigantischen Budgets notwendig sind, um die Leute ins Kino zu locken.

Rec

Die spanische Produktion Rec aus demselben Jahr steht dem Film Oren Palis in nichts nach. Regisseur Paco Plaza gelingt es, mit einer Mischung aus postmodernen und Urängsten den Zuschauern Furcht einzujagen. Die Angst vor der Dunkelheit mischt sich mit der Aversion vor dem Fremden, auch wenn dieser der eigene Nachbar ist. Die Geschichte zweier TV-Reporter, die bei einem Feuerwehreinsatz in einem Haus eingeschlossen werden, über das auf einmal Quarantäne verhängt wird, dürfte zum Besten zählen, was der moderne spanische Horrorfilm bisher auf die Beine gestellt hat. Produziert hat diesen Film (wie soll es anders sein) Julio Fernandez, der mit Filmax die größte spanische Produktionsfirma innehat und eine Art Quasimonopol betreibt. Leider ging die mit Brian Yuzna ins Leben gerufene Produktionsfirma Fantastic Factory bereits nach einer Handvoll Filme baden. Dennoch ist und bleibt Spanien die größte europäische Produktionsstätte für Horrorfilme.

Cloverfield

Mit Cloverfield (2008) nahm sich das Big Budget-Kino dem Lost Footage-Thema an. Die Geschichte über ein riesiges Monster, das New York heimsucht, ist durchaus unterhaltsam und ein Großteil der Effekte sehr gelungen. Die Story jedoch oder besser das Handeln der Figuren ist sicherlich unlogisch. So stellt sich die Frage, wieso einer der Protagonisten auch in höchster Gefahr einfach die Kamera laufen lässt. Bespickt ist der Film mit einer herben Kritik an der US-Regierung und Anspielungen auf die japanischen Monsterfilme. Die Optik aber ist dann doch zu sehr auf das Effekt-Kino konzipiert, sodass die Mokumentary zum großen Teil nicht funktioniert. Eine objektive Kamera hätte es auch getan.

TrollHunter

Troll Hunter (2010), eine norwegische Produktion, spielt mit dem Gedanken, dass in den Wäldern Norwegens tatsächlich Trolle hausen. Eine Gruppe junger Leute machen Jagd auf diese Fabelwesen, was heißt, sie versuchen Filmaufnahmen von ihnen zu machen. – Mit seiner Länge von weit über 90 Minuten ist der Film eindeutig zu lang, was dazu führt, dass die Handlung gedehnt und im wahrsten Sinne des Wortes langatmig wird. Die Effekte und die Geräusche sind trotzdem hervorragend inszeniert. Auch der ein oder andere Gag ist gut plaziert. Insgesamt aber hätten 70 Minuten dem Film besser getan.

Auch Südkorea versuchte sich in dem Lost Footage-Subgenre. Eine der ersten Produktionen stammte aus dem Jahr 2010 und trug den Titel Haunted House Project. Leider ist der Film alles andere als originell. Er ist sogar beinahe so schlecht wie das oben erwähnte „St. Francis Experiment“. Es war ein Versuch, der dann im Jahr 2013 eine überaus geniale Umsetzung erfuhr.

Unheimliche Geräusche

Gemeint ist der TV-Film  Guashin sori zatgi (auf Deutsch in etwa „Auf der Suche nach unheimlichen Geräuschen“). Diese 50 minütige Produktion beginnt völlig harmlos, um sich dann mehr und mehr in einen wahren Albtraum hineinzusteigern. Die Schlussszene ist an Unheimlichem kaum zu überbieten. Es geht um ein Fernsehteam, das in einem alten Bauernhaus Aufnahmen von Spukgeräuschen machen soll. Das Team verbringt eine Nacht darin und nimmt tatsächlich sonderbare Geräusche auf. Es ist schade, dass dieser Film wahrscheinlich nie in Deutschland erscheinen wird. Hier waren wirkliche Könner am Werk.

cult

Auch Japan produzierte Lost Footage-Filme. Neben dem international bekannten Noroi , der zwar durchaus witzig ist, jedoch als gefakte Dokumentation überhaupt nicht funktioniert, war es 2013 der Film Cult, der die Gemüter – diesmal auf sehr negative Weise – berührte. Es geht um eine Gruppe sogenannter Idols, die als TV-Event bei einem Exorzismus dabei sein sollen. Dummerweise fährt der Dämon in eine der drei jungen Frauen. Der Film präsentiert J-Horror auf dem bisherigen Tiefststand. Nicht nur die Dramaturgie ist schlecht. Die Optik, die Effekte, einfach alles vermitteln den Eindruck, ein Amateur habe diesen Film in seinem Hobbykeller gedreht. Doch weit gefehlt. Hinter diesem Machwerk steht niemand anderer als Koji Shiraishi, der 2007 mit „Carved“ einen hervorragenden Film abgeliefert hatte. Was den guten Mann dazu bewegt hat, einen dermaßen schlechten Film zu drehen, sei einmal dahingestellt. Sicher ist nur, dass „Cult“ ziemlich viele Zuschauer verärgert hat.

The Borderlands

The Borderlands (2013) schließlich erregte bei Filmkritikern großes Aufsehen. Das Fangoria Magazin hält Elliot Goldners Debüt sogar für einen der besten Lost Footage-Filme der letzten Jahre. Die englische Produktion handelt von einer Kirche, in der sonderbare Dinge vor sich gehen. Ein vom Vatikan gesandtes Team soll den Fall untersuchen. Den Enthusiasmus können wir nicht nachvollziehen. Der Film ist zwar gut gemacht, doch ist er alles andere als originell. Möchte man die Handlung literarisch verorten, so vollzieht Goldner eine Mischung aus M. R. James und H. P. Lovecraft. Zudem hätte der Film besser ohne subjektive Kameras funktioniert.

Man sieht, dass sich innerhalb des Subgenres Lost Footage Filme unterschiedlichster Qualität versammeln. Dabei zeigt sich auch, dass nicht alles, was billig ist, billig ist. Ob dies nun das Budget oder im übertragenen Sinne die Handlung betrifft. Schon allein aufgrund des Vorteils einer geringen Finanzierung wird sich dieses Subgenre auch für zukünftige Regisseure als Sprungbrett für eine spätere Karriere erweisen. Junge Filmemacher haben dadurch die Möglichkeit, auf diese kostengünstige Weise ihr Können zeigen. Und wenn ein Film dann auch gut wird, haben auch die Zuschauer etwas davon.

 

 

 

 

Berberian Sound Studio – Eine Rezension

berberian sound studioDer Schauspieler Toby Jones ist normalerweise nur in Nebenrollen zu sehen (zuletzt u. a. in „Captain America“). In dem Film „Berberian Sound Studio“ des britischen Regisseurs Peter Strickland darf er nun sein Können als Hauptdarsteller beweisen.

„Berberian Sound Studio“ spielt Mitte der 70er Jahre. Der britische Toningenieur Gilderoy kommt nach Italien, um in einem Tonstudio den Sound für den neuesten Santini-Film zu konzipieren. Was der schüchterne Naturfilmer nicht ahnt, ist, dass es sich bei diesem Film um einen Horrorfilm handelt. Die schmuddelige Atmosphäre des Studios, die exzentrischen Mitarbeiter und nicht zuletzt der Film, für den er passende Geräusche kreieren soll, bringen ihn zunehmend aus dem psychischen Gleichgewicht.

Wenn man den Film mit nur einem Wort beurteilen möchte, dann würde man nur eines schreiben: genial! Peter Strickland gelingt es, Beklemmung, unterschwelligen Humor und den typischen Schmuddeltouch der italienischen Horrorfilme auf einen gemeinsamen Nenner zu bringen. Vor allem der letzt genannte Punkt dürfte Fans italienischer Trashfilme erfreuen. Die Geräusche, die angedeutete Handlung sowie die beschriebenen Szenen des Films, den Gilderoy bearbeiten soll, entsprechen eins zu eins den Konzepten der damaligen Produktionen. Hinzu kommen jede Menge Anspielungen auf die großartige Ära des italienischen Horrorfilms. Der schwarze Handschuh fehlt hier ebenso wenig wie die typische Musik.

Für Gilderoy, der mit solchen Filmen bisher nichts zu tun hatte, wird die Arbeit zu einer zunehmenden psychischen Belastung. Zum einen erträgt er die Bilder nicht, zum anderen ist ihm die ganze Umgebung nicht geheuer. Sein Engagement wird zu einem kafkaesken Alptraum. Das Besondere an „Berberian Sound Studio“ ist, dass Strickland das Thema des Films vollkommen auskostet. Wie der Titel schon sagt, geht es um Ton. Aus diesem Grund ist auch der Film, den Gilderoy einen bestimmten Sound geben soll, nicht zu sehen. Der Zuschauer erfährt Informationen darüber nur in den Dialogen zwischen dem Toningenieur und den übrigen Mitarbeitern. Der Rest ergibt sich aus den Geräuschen, den Schreien und der Musik. Dies verstärkt die beklemmende Atmosphäre, die den gesamten Film über aufrechterhalten wird, und sorgt für zum Teil großartigen Nervenkitzel. Das macht „Berberian Sound Studio“ zu einem hervorragenden Thriller.

Berberian Sound Studio, Regie u. Drehbuch: Peter Strickland, Produktion: Mary Burke, Darsteller: Toby Jones, Tomia Sotiropoulou, Antonio Mancino, Guido Adorni, Cosimo Fusco, England/Deutschland 2011, Laufzeit: 89 Min.

Hill House und seine Erben – Shirley Jacksons berühmter Geisterhausroman und was danach kam

HauntingOfHillHouse1959 veröffentlichte die amerikanische Thriller-Autorin Shirley Jackson ihren wohl berühmtesten Roman „The Haunting of Hill House“. Es handelt sich dabei um einen Spukhausroman, der sich jedoch nicht als schlichte Horrorgeschichte versteht, sondern viel eher als psychologischer Thriller mit paranormalen Zwischenschüben. Es geht darin um den Anthropologen Dr. Montague, der ein Experiment in einem angeblichen Spukhaus durchführen will. Die Teilnehmer sind die schüchterne Eleanor, die mit leicht telepathischen Fähigkeiten ausgestattete Theodora und der Erbe des Spukhauses Luke. Ziel des Experiments ist es, zu ergründen, ob es in Hill House, das vor 80 Jahren von dem Industriellen Hugh Crain erbaut wurde, tatsächlich spukt. Das leicht fertig ins Leben gerufene Vorhaben gerät nach und nach außer Kontrolle.

„The Haunting of Hill House“ ist wahrscheinlich der packendste und überzeugendste Spukhausroman, der jemals geschrieben wurde. Das Besondere daran ist, dass Shirley Jackson das Haus nie wirklich mit architektonischen Begriffen beschreibt, sondern dafür Adjektive wie z.B. „scheußlich“ und „aussätzig“ verwendet. Die Handlung wirkt zunächst eher skizzenhaft, bevor sie sich nach den ersten 30 Seiten zunehmend verdichtet. Shirley Jackson, die mit ihrer Kurzgeschichte „Die Lotterie“ berühmt geworden war, befindet sich hierbei auf der Höhe ihres Schaffens. Der Roman beeinflusste später Größen wie etwa Stephen King und Richard Matheson.

Bulwer-Lytton
Edward Bulwer-Lyttons „The Haunted and the Haunters“ (Das leere Haus in der Oxfordstreet) zählt zu den berühmtesten Spukhausgeschichten.

Knapp hundert Jahre vor „Spuk in Hill House“, so der Titel der 1993 im Diogenes Verlag erschienen Übersetzung, verfasste Edward Bulwer-Lytton eine recht ähnliche Geschichte. In „The Haunted and the Haunters“, die 1859 erschien und von der es unterschiedliche Fassungen und auch verschiedene Titel (wie z.B. „The House and the Brain“) existieren, geht es um eine Wette. In einem alten Haus in London soll es angeblich wirklich spuken. Kurzerhand entschließt sich der Ich-Erzähler zusammen mit seinem Diener und seinem Hund eine Nacht darin zu verbringen. Sein anfänglicher Spott gegenüber dem Geisterglauben verwandelt sich in eben dieser Nacht in reines Entsetzen.

Es scheint so, als hätte sich Shirley Jackson von dieser Geschichte, die wohl zu Bulwer-Lyttons bekanntesten Erzählungen gehört, inspirieren lassen. Die Wette wird von ihr in ein Experiment transformiert. Das Interesse am Spuk wird zu einem wissenschaftlichen Unterfangen. Es gibt kaum eine Gespenstergeschichtenanthologie, in der Bulwer-Lyttons Geschichte nicht beinhaltet ist. Shirley Jacksons Roman wurde ein Bestseller und 1963 von Robert Wise unter dem Titel „The Haunting“ verfilmt.

Thehaunting1963Der Film zählt bis heute zu den besten Horrorfilmen, die jemals gedreht wurden. Damals galt er als einer der unheimlichsten Filme überhaupt. Robert Wise überträgt den psychologischen Gehalt des Textes in paranoide Bilderfolgen. Der Aufbau der Spannungen und nicht zuletzt die unheimlichen Geräusche (die eigentlichen „Stars“ des Films) sind kaum zu überbieten. Während Theodora in dem Roman andeutungsweise bisexuell charakterisiert wird, erhält sie in dem Film andeutungsweise einen lesbischen Charakter.

Dieser wurde in dem Remake des Films aus dem Jahr 1999 deutlicher herausgearbeitet. Actionregisseur Jan de Bont führte Regie, was diesem Film deutlich schadete. Denn anstatt eine spannende Geschichte und hervorragenden Nervenkitzel zu präsentieren, wird ein Nacheinander an Computer generierten Special Effects geboten, die die Handlung langweilig und eintönig und nicht zuletzt lächerlich machen. Von dem Klassiker Roberts Wises ist nichts mehr übrig.

The_Haunting_film
Das Remake von Robert Wises Klassiker.

Kehren wir 20 Jahre zurück.  1971 verfasste Richard Matheson den Geisterhausroman „Hell House“. Man muss nicht lange um den heißen Brei herumreden. „Hell House“ ist das literarische Remake von Shirley Jacksons berühmten Roman. Dieses Mal ist es der Physiker Dr. Lionel Barrett, der in dem berüchtigten Belasco House ein wissenschaftliches Experiment durchführen möchte. Mit dabei sind unterschiedliche Personen, u. a. ein Mann mit außersinnlicher Wahrnehmung. Die Handlung verläuft beinahe identisch mit derjenigen von „Hill House“, jedoch versehen mit ein paar Sexszenen, die für die spätere Verfilmung gestrichen werden mussten. Der Roman für sich genommen ist durchaus spannend und interessant. Im Vergleich mit „Hill House“ allerdings eher ein Ärgernis. Zu genau ist die Übernahme von Shirley Jacksons Idee.

HellHouse The_Legend_of_Hell_House

Der spätere Film aus dem Jahr 1973 (genau 10 Jahre nach „The Haunting“) übernimmt am Anfang die geniale Optik von Robert Wise, um sie kurz darauf jedoch ad acta zu legen und einen durchschnittlichen Film zu präsentieren. Ähnlich wie später bei „Ghostbusters“ entwirft der Physiker eine Apparatur, mit der es möglich ist, Geister einzufangen.

2002 kam es zu einer weiteren „Adaption“ von Shirley Jacksons Roman. Dieses Mal von Horrormeister Stephen King. Er verfasste das Drehbuch zu einem vierteiligen TV-Film mit dem Titel „Rose Red“ (Das Haus der Verdammnis). Wer den Film nicht kennt, kann dennoch die Handlung sicherlich bereits erraten. Es geht um eine Wissenschaftlerin, die mit Leuten, die paranormale Eigenschaften aufweisen, eine Nacht in einem angeblichen Spukhaus verbringen möchte. Das Experiment gerät jedoch aufgrund des tatsächlichen Spuks außer Kontrolle.

Stephen King übernahm genauso wie Richard Matheson die Grundidee Shirley Jacksons eins zu eins, würzte sie aber mit einer leicht veränderten Hintergrundgeschichte. Der Film selbst besitzt durchaus seine positiven Seiten, auch wenn die TV-Darsteller nicht wirklich überzeugen. Allein Julian Sands weist hierbei eindeutige Pluspunkte auf. Mit einer Laufzeit von knapp vier Stunden zieht sich die Geschichte zu sehr in die Länge. Dennoch wurde der Film ein Erfolg und führte 2003 zu einem Prequel (Das Tagebuch der Ellen Rimbauer), das in seiner Dramaturgie um ein Vielfaches besser ist als die Miniserie, auch wenn diesen Film heute niemand mehr kennt.

RoseRedShirley Jackson legte mit ihrem Roman eine Art Prototyp des Geisterhausromans vor. Auch wenn ihre Geschichte von Bulwer-Lyttons Erzählung „The Haunted and the Haunters“ (Das verfluchte Haus in der Oxfordstreet) inspiriert scheint, knüpfen spätere Spukhausromane und Filme an ihrem Erfolg an.