Behind the Story: Gracia Hosokawa – Vorbild für Mariko Toda in „Shogun“

Yoko Shimada als Mariko Toda in „Shogun“ (1980). Die Figur Mariko Toda ist an Gracia Hokosawa angelehnt, die bis heute in Japan verehrt wird. © CBS/Paramount

James Clavells Roman „Shogun“ (1975) gilt längst als Meisterwerk. Nicht weniger die gleichnamige TV-Serie, die wir zuletzt hier auf FuB besprochen haben. Die Geschichte um den Navigator John Blackthorne, den es während eines Sturms nach Japan verschlägt, wo er zunächst gefangengenommen, doch dann bis zum Samurai aufsteigt basiert auf historischen Tatsachen.

Clavell verband dabei die Geschichte des Navigators William Adams (1564 – 1620) mit der Geschichte der Hofdame Garasha (Gracia) Hosokawa (1563 – 1600). Ob sich beide auch in der Realität begegnet sind, muss offen bleiben, sicher ist jedoch, dass beide Zeitgenossen waren. Beide sind in Japan noch immer bekannt. William Adams‘ Haus steht noch immer, früher wurde sogar ein Stadtteil Tokios nach ihm benannt. Eine weitaus größere Bedeutung aber für die japanische (Pop-)Kultur hat Gracia Hosokawa.

Bis heute wird sie in Japan verehrt, ihr Grab wird immer noch gepflegt und nicht wenige Cosplayer verkleiden sich als Gracia Hosokawa. Doch was ist so besonders an dieser Frau? Ich denke, dass es vor allem mit ihrem überaus tragischen Schicksal zusammenhängt und nicht weniger, dass sie überaus hübsch gewesen sein soll.

Gracia Hokosawa auf einem alten Gemälde

Geboren wurde Gracia Hosokawa als Tamako Akechi. Bereits mit 16 Jahren heiratete sie den Samurai Tadaoki Hosokawa. Ihr Vater war der berühmte Feldherr Mitsushide Akechi. Aus welchem Grund auch immer tötete Mitsushide den Fürsten Oda Nobunaga, bei dem er als Samurai diente. Die Konsequenz, er musste Seppuku (Selbstmord) begehen. Seine Tat färbte sich auch auf seine Tochter ab. Von nun an wurde sie als „Tochter des Verräters Akachi“ bezeichnet. Um sie vor den Gefolksleuten Nobunagas zu schützen, führte sie ihr Mann Tadaoki in die Berge der Halbinsel Tango, die heute zur Präfektur Kyoto gehört, wo sie sich mehrere Jahre versteckt hielt. Noch heute ziert ein Denkmal den Ort, an dem Gracia sich so lange verborgen halten musste.

Später aber erlangte Tadaoki die Erlaubnis, seine Frau in den Palast nach Osaka zu führen. Dort aber wurde sie erneut gefangengehalten. In dieser Zeit konvertierte sie zum Christentum. Sie war sehr gebildet und soll angeblich Latein und Portugisisch gekonnt haben. Doch geriet sie mitten hinein in den Konflikt zwischen den Fürsten Tokugawa und Ishida, die um die Vorherrschaft in Japan kämpften. Ishida zog mit seiner Armee auf Osaka zu, um die Bewohner des Schlosses und damit Gracia Hosokawa als Geiseln zu nehmen. Ihr Mann hatte ihr zuvor gesagt, sie müsse Selbsmord begehen, falls diese Situation eintreten sollte.

Da Gracia jedoch inzwischen Christin geworden war, galt für sie Seppuko als Todsünde. Daher bat sie den Samurai Ogasawara, der zugleich ihr Vertrauter war, sie zu töten. Vor ihrem Tod verfasste sie ein Haiku, in dem sie das Leben und den Tod mit dem Blühen und Vergehen der Blumen verglich. Dieses Gedicht ist bis heute überliefert und wurde sogar in die Außenmauer der  St. Maria’s Kathedrale in Osaka eingemeißelt. Und das ist auch der Grund, weswegen in allen Darstellungen Gracia Hosokawas Blumen eine Rolle spielen. Angeblich handelt es sich bei den dargestellten Blumen um weißen Lotus, der für Würde und Reinheit steht.

Wie gesagt, wird Gracia Hosokawa bis heute verehrt und Cosplayer in Japan verkleiden sich gerne als die berühmte Hofdame. In der Stadt Kameoka findet jährlich das Kameoka Festvial statt, in dem Gracia Hosokawa und ihrer tragischen Geschichte gedacht wird. Die Teilnehmer des Umzugs sind alle in historische Gewänder gekleidet, in einer Sänfte wird eine als Gracia Hokosawa verkleidete Darstellerin durch die Stadt getragen. Den Abschluss des Festivals bildet ein Theaterstück, bei dem die Geschichte der Hofdame nacherzählt wird. Gracia Hokosawa findet sich jedoch auch als Figur in Mangas, Filmen, Romanen und sogar in Computerspielen wieder. Interessanterweise gelangte bereits im Laufe des 17. Jahrhunderts Gracia Hokosawas  tragische Geschichte bis nach Europa, wo sogar ein Theaterstück über sie verfasst wurde. Eine der bekanntesten Bewunderer im Europa des 19. Jahrhunderts soll übrigens Kaiserin Sissi gewesen sein, die das Leben der Hofdame sehr bewegt hat.

Während ich über die Hofdame Gracia Hokosawa recherchierte, wurde mir mehr und mehr bewusst, was für eine beeindruckende und mutige Frau sie gewesen sein muss. Sie wurde nur 37 Jahre alt, im Grunde genommen aber ist sie unsterblich, was die anhaltende Begeisterung und Verehrung in Japan bezeugt.

The 80s: Shogun (1980)

Blackthorne (Richard Chamberlain) und Marika (Yoko Shimada) am Hof des Fürsten; „Shogun“ (1980); © CBS/Paramount

James Clavell (1924 – 1994) lieferte die literarische Vorlage für die längst zum Klassiker gewordene TV-Serie „Shogun“. Der Roman erschien 1975 und wurde wie alle seine Bücher (z.B. Noble House Hong Kong – 1988 verfilmt mit Pierce Brosnan) zu einem Bestseller. Die TV-Serie führte sozusagen dazu, dass auch die Leute den Namen James Clavell kannten, die keine Bücher lesen.

„Shogun“ war damals eine echte Sensation und hat auch heute nichts von seinem Reiz verloren. Als ich kürzlich die Serie nochmals gesehen habe, war ich erstaunt, an wie viele Szenen ich mich noch erinnern konnte. Von Serie zu sprechen, ist eigentlich nicht ganz richtig. Denn im Grunde genommen handelt es sich um einen mehr als zehnstündigen Spielfilm.

Es geht um den englischen Navigator John Blackthorne, dessen Schiff im Jahr 1600 vor der Küste Japans auf Grund läuft. Blackthorne und seine Mannschaft werden sofort gefangengenommen. Kurz darauf aber wird Blackthorne frei gelassen und an den Hof des Fürsten Yoshi Toranaga gebracht, wo er zum Samurai aufsteigt. Doch Blackthornes Beziehung zu der hübschen Mariko ist vielen ein Dorn im Auge. Währenddessen werden die Anzeichen für einen neuen Krieg zwischen den Feudalherren immer deutlicher.

Sowohl Roman als auch Serie basieren auf historischen Tatsachen. William Adams (1564 – 1620), wie die Hauptfigur ebenfalls Navigator, kam im Jahr 1600  nach Japan, wo er als erster Nicht-Japaner zum Samurai ernannt wurde.

Toshiro Mifune als Fürst Toranaga; „Shogun“ (1980); © CBS/Paramount

Eigentlich hätte Sean Connery die Hauptfigur John Blackthorne spielen sollen, sagte jedoch ab, da er nicht nach Japan wollte. Stattdessen wurde Richard Chamberlain engagiert, den Clavell erst nicht mochte, der dann aber über seine Darstellung Blackthornes überaus begeistert war. Der japanische Schauspieler Toshiro Mifune, der bis dahin vor allem durch seine Zusammenarbeit mit Akira Kurosawa bekannt gewesen war, erlangte durch seine Rolle des Fürsten Toranaga internationale Bekanntheit. Mariko wird von Yoko Shimada gespielt, die in „Crying Freeman“ (1995) Marc Dacascos‘ Gegenspielerin war, ansonsten war ihre weitere Karriere, trotz ihrer sehr guten Englischkenntnisse, auf Japan beschränkt. Für ihre Rolle der Dame Mariko wurde sie 1980 mit dem Golden Globe ausgezeichnet. Richard Chamberlain erhielt ebenfalls einen Golden Globe für die beste männliche Hauptrolle.

„Shogun“ verbindet alles, was einen erstklassigen Film ausmacht: Spannung, Action, eine komplexe Handlung und eine unglaubliche Tiefe der Charaktere. Unerreicht finde ich, ist die zarte und dennoch überaus dramatische Liebesbeziehung zwischen Blackthorne und Marika.

Das Besondere an der Serie ist nicht nur, dass sie an Originalschauplätzen in Japan gedreht wurde, sondern dass die japanischen Dialoge nicht übersetzt wurden und es auch keine Untertitel gibt. Auf diese Weise wollte Regisseur Jerry London die außergewöhnliche Situation, in der sich Blackhtorne befindet, so darstellen, dass sich der Zuschauer besser in die Hauptfigur hineinversetzen kann, was tatsächlich funktioniert. Zugleich zeigt der Film, wie Blackthorne nach und nach die japanische Sprache und die Kultur lernt. Heutige Serien würden sich besonders für diese Aspekt nur wenig Zeit lassen. „Shogun“ jedoch geht hierbei auf fast minutiöse Weise vor, wobei auch der Humor nicht zu kurz kommt.

Keine andere Serie befasste sich so sehr mit der japanischen Geschichte und der damaligen Kultur wie eben „Shogun“. Die Serie kratzt nicht einfach an der Oberfläche, sondern taucht tief in die Gedankenwelt und kulturellen Merkmale ein, was „Shogun“ für jeden, der an Japan und dessen Geschichte interessiert ist, zur Pflicht macht. Interessanterweise floppte die Serie ausgerechnet in Japan. Dort interessierte man sich damals nicht so sehr für das Thema, ganz im Gegenteil zu Europa und den USA, wo die Serie Kultstatus erreichte.

Shogu. Regie: Jerry London, Drehbuch: Eric Bercovici, Produktion: James Clavell, Eric Bercovici, Darsteller: Richard Chamberlain, Toshiro Mifune, Yoko Shimada, John Rhys-Davis. USA/Japan 1980

FuBs Klassikbox: Die Piratenkönigin (1951)

Gleich am Anfang feuern die Kanonen; „Die Piratenkönigin“ (1951); © 20th Century Fox

So ziemlich alles, was Regisseur Jacques Tourneur anpackte, wurde zum Klassiker. Egal, ob es sich um den Noir-Thriller „Blondes Gift“ handelt oder die Horrorfilme „Katzenmenschen“, „Ich folgte einem Zombie“ und „Night of the Demon“, die Filme entwickelten sich nicht nur zu Kassenschlagern, sondern gingen in die Filmgeschichte ein. Doch war Tourneur nicht nur im Thriller- und Horrorgenre beheimatet, sondern drehte auch Western und den Abenteuerfilm „Die Piratenkönigin“ (Anne of the Indies). Mit letzterem setzte er ebenfalls einen Meilenstein im Filmschaffen.

Denn „Die Piratenkönigin“ ist einer der ersten Abenteuer- bzw. Piratenfilme, in der eine Frau die Hauptrolle hat. Schauspielerin Jean Peters spielt Anne Providence, Kapitänin eines Piratenschiffs, das von der englischen Flotte gejagt wird. Eines Tages versenken Anne und ihre Mannschaft ein englisches Kriegsschiff. Mit an Bord ist der Franzose Pierre LaRochelle, der als Gefangener nach Großbritannien gebracht werden sollte. Anne, die Gefallen an La Rochelle findet, setzt ihn als Ersten Maat ein – obwohl ihr Arzt sie vor dem Mann warnt. Doch das Schicksal nimmt seinen genauso abenteuerlichen wie dramatischen Lauf …

Kanonendonner, wilde Gefechte und jede Menge Seemannsflüche, „Die Piratenkönigin“ zählt zu den aufregendsten Piratenfilmen Hollywoods. Jede Menge Action, eine überaus spannende Handlung und eine wunderbare Vielfalt an rauen Gesellen machen Tourneurs Seeabenteuer zu einem echten Filmereignis, bei dem sich die dramatischen und aufregenden Ereignisse die Klinke in die Hand geben, sodass der Film alles kennt, außer einer ruhigen Minute.

Anne Providence (Jean Peters) baum Hauen und Stechen; „Die Piratenkönigin“ (1951); © 20th Century Fox

Bereits 1947 begannen die ersten Drehbuchentwürfe, die auf einer Erzählung von Herbert Sass basiert. Sass selbst sollte ein Skript entwerfen, doch landete dieses erst einmal in der Schublade. Erst wenige Jahre später wurde das Projekt wieder aufgenommen, doch Sass‘ Konzept, das sich stark an der tatsächlichen Geschichte von Anne Bonny orientierte, wurde so sehr verändert, dass außer dem Vornamen der Piratenkapitänin nichts mehr übrig blieb. 1951 kam der Film schließlich in die Kinos und machte Jean Peters endgültig zum Star.

Wie vorhin erwähnt, lehnt sich die Figur Anne Providence an der tatsächlichen Piratenkapitänin Anne Bonny (1698 – 1782) an, die damals die Meere unsicher gemacht hatte und zusammen mit ihrer „Kollegin“ Mary Read für jede Menge Angst und Schrecken sorgte. Sie wurde gefangengenommen und entkam nur knapp dem Galgen. Später heiratete sie und lebte in einer Stadt in South Carolina.

1995 versuchte man eine Art Remake unter dem Titel „Die Piratenbraut“, doch heißt hier die Kapitänin Morgan Adams. Während Tourneurs Film zum Kassenschlager wurde, entwickelte sich „Die Piratenbraut“ zum größten Flop der Filmgeschichte.

Die Piratenkönigin (OT: Anne of the Indies). Regie: Jacques Tourneur, Drehbuch: Arthur Caesar, Philip Dunne, Produktion: George Jessel, Darsteller: Jean Peters, Louis Jordan, Thomas Gomez, Herbert Marshall. USA 1951

8 – Horror aus Südafrika

Mit „8“ liefert der südafrikanische Regisseur Harold Holscher sein Debüt ab: ein Horrorfilm, der südafrikanische Folklore mit modernen Gruselelementen vermischt. Das Symbol 8 verweist dabei auf den Berührungspunkt zwischen der übernatürlichen und der hiesigen Welt.

Die Handlung spielt 1977. Will, seine Frau Sarah und die Adoptivtochter Mary ziehen in ein altes Farmhaus, das früher Wills Vater gehört hat. In der Nähe treibt sich der einsame Schwarze Lazarus herum, der einen schweren Ledersack mit sich herumträgt. Da Lazarus früher für Wills Vater gearbeitet hat, lässt Will ihn in der Scheune wohnen. Doch als sich mehr und mehr unheimliche Dinge ereignen, möchte Sarah, dass Lazarus wieder verschwindet. Auch der in der Nähe lebende Medizinmann Obara warnt Will vor Lazarus …

Harold Holschers Debüt steckt voller Geheimnisse und dies im doppelten Sinn. Denn zum einen ist „8“ eine durch und durch geheimnisvolle, düstere Geschichte, zum anderen lässt der Regisseur viele Aspekte offen, sodass man als Zuschauer durchaus ins Rätseln kommt, was mit dieser oder jener Szene gemeint ist. Wer sich mit afrikanischer Folklore auskennt, wird wahrscheinlich mehr in mancher unklaren Szene erkennen. Andererseits aber ist dies natürlich auch ein Anreiz dafür, sich selbst näher mit den Mythen und Legenden Südafrikas zu beschäftigen.

Was interessant ist, ist, dass Harold Holscher gleich zu Anfang Larry Fessendens Meisterwerk „Wendigo“ (2001) zitiert. Die Anfahrt zur Farm ähnelt recht stark der Anfahrt zu dem leer stehenden Haus in eben jenem Film des New Yorker Independent-Regisseurs, sodass man meint, dass Holscher sich weiter an Fessendens Stil orientierten wird.

Doch weit gefehlt. Angekommen beim Farmhaus nimmt es Holscher mit den Horrorfilmen der 70er Jahre auf, weswegen ja auch die Handlung im Jahr 1977 spielt. Erst nach und nach schleichen sich die folkloristischen Elemente in die Handlung ein. Aufgrund eben dieser Elemente wirkt „8“ stets faszinierend, wobei jedoch eher selten richtige Spannung aufkommt. Die einzelnen, wenigen unheimlichen Szenen sind sehr sorgfältig konzipiert und orientieren sich dabei sehr schön an klassischen Gruselelementen. Dies ist vor allem Kameramann David Pienaar zu verdanken, dessen wunderbare Bildkompositionen den Film immer wieder zu einem Augenschmaus machen.

Das Problem des Films sind jedoch vor allem seine Figuren. Will, Sarah und Mary bleiben allesamt eher unscharf. Vor allem bei Will weiß man nicht recht, was er auf der Farm eigentlich möchte. Denn angeblich ist er, laut einer Bemerkung Sarahs, Buchhalter. Möchte er die Farm übernehmen? Das Haus einfach nur herrichten, um es nachher zu verkaufen? Dass Sarah ihm keine richtige Hilfe ist, wird immer deutlicher. Denn sie ist die einzige, die spürt, dass mit dem Ort und mit Lazarus etwas nicht stimmt.

Im Hinblick auf das Unheimliche wirkt der Schwarze Wanderer keineswegs bedrohlich oder unsympathisch. Im Gegenteil, ausgerechnet der von allen anderen Figuren als unheimlich und böse bezeichnete Mann ist die Figur, in die man sich am ehesten hineinversetzen kann. Sein Schicksal macht ihn zu einer durch und durch tragischen Figur, mit der man eher Mitleid hat, als dass man sich vor ihr gruselt.

Harold Holscher beweist in „8“, trotz der genannten Schwächen, dass er auf jeden Fall etwas kann. Man darf daher gespannt auf seinen nächsten Film sein.

„8“. Regie u. Drehbuch: Harold Holscher, Produktion: Jac Williams, Darsteller: Tshamano Sebe, Inge Beckmann, Garth Breytenbach, Keita Luna, Chris April. Südafrika 2019.