Geständnisse – Der Bestseller aus Japan

Kanae Minatos Roman „Geständnisse“ wurde außerhalb Japans zunächst durch seine gleichnamige Verfilmung bekannt. Tetsuya Nakashimas Adaption zählt bis heute zu den zehn erfolgreichsten japanischen Filmen überhaupt. Nun ist auch der Roman auf Deutsch erschienen. Um es kurz zu machen: Man sollte alles stehen und liegen lassen, bevor man mit dem Lesen beginnt. Denn Minatos Thriller lässt einen nicht mehr los.

Es geht um ein grauenvolles Verbrechen an einer japanischen Schule. Die Tochter der Lehrerin Yuko Moriguchi wurde tot im Schwimmbecken der Schule gefunden. Zunächst wird der Tod Manamis von der Polizei als Unfall beurteilt. Doch das Blatt wendet sich, als die Lehrerin am letzten Schultag vor den Sommerferien ihrer Klasse erzählt, dass sie die Täter kennt. Und sie erwähnt auch, welche Form der Rache sie sich deswegen ausgedacht hat. Dadurch löst sie eine Kette von Ereignissen aus, die ganze Familien zerstört.

Man kann zu Kanae Minatos Debütroman nur eines sagen: Wow! „Geständnisse“ ist ein Thriller, der einen regelrecht umhaut. Es ist ein gesellschaftskritischer Rundumschlag, den die mehrfach ausgezeichnete Autorin dem Leser präsentiert. Zwar geht es ihr im Kern um das japanische Schulsystem, doch zeichnet sie dabei zugleich ein gesamtgesellschaftliches Bild Japans, das geprägt ist von zunehmender Kriminalität, moralischem Verfall und Egoismus.

Da das Rechtssystem unfähig ist, manche Täter zu bestrafen, lässt dies Yuko Moriguchi keine andere Möglichkeit mehr, als die Rache selbst in die Hand zu nehmen. Dabei geht sie dermaßen ausgeklügelt vor, dass man schon von einer erschreckenden Genialität sprechen muss. „Geständnisse“ ist jedoch alles andere als eine gewöhnliche Rachestory. Denn die ganze Geschichte setzt sich nach und nach wie ein Puzzle zusammen.

Daraus ergibt sich ein extrem packender Roman, der nicht nur überaus spannend, sondern gleichzeitig von einer komplexen Tiefgründigkeit geprägt ist. Als Pate stand anscheinend Dostojewskis „Schuld und Sühne“, dessen Kernthematik Kanae Minato in ihren Roman verarbeitet hat. „Geständnisse“ ist nicht nur ein Sollte-man-lesen, sondern ein Muss-man-lesen. Hoffentlich werden die anderen Romane der Autorin ebenfalls ins Deutsche übersetzt.  „Geständnisse“ ist jedenfalls ein unglaublich gutes Buch.

Kanae Minato. Geständnisse. C.Bertelsmann 2017, 270 Seiten, 16,99 Euro, ISBN: 978-3-570-10290-9

 

The 80s: Im Jahr des Drachen (1985)

Nachdem Regisseur Michael Cimono (1939 – 2016) mit dem Western „Heaven’s Gate“ (1980) einen der größten Flops der Filmgeschichte abgeliefert hatte, der dazu führte, dass die pleite gegangene United Artists an MGM verkauft wurde, hatte er Schwierigkeiten, Gelder für neue Projekte zu erhalten. Doch Mitte der 80er Jahre konnte er den bekannten Filmproduzenten Dino de Laurentis für seine neueste Arbeit gewinnen: „Das Jahr des Drachen“, ein Film, der damals umstritten war, heute aber zu den Klassikern nicht nur der 80er Jahre, sondern auch des Kriminalfilms zählt.

Es geht darin um den neuen Polizeichef Stanley White, der nach Chinatown versetzt wird, wo sich zwei Clans bis aufs Blut bekämpfen. White möchte dem ein Ende setzen und legt sich mit den Bossen der chinesischen Mafia an, allen voran mit dem jungen Gangster Joey Tai, der riesige Mengen Kokain nach New York schmuggeln möchte.

Damalige Kritiker unterstellten dem Film eine rassistische Darstellungsweise, was u.a. dazu führte, dass sinoamerikanische Vereinigungen gegen den Film protestierten. Die Verwaltung von Chinatown befürchtete zudem, dass aufgrund der negativen Darstellungsweise des New Yorker Stadtteils die Touristenzahlen drastisch zurückgehen würden.

Damals wie heute war bei solchen Themen mehr Hysterie als sonst etwas im Gange, denn die Frage lautet, wieso ein Film rassistisch sein soll, wenn er sich mit der in Chinatown ansässigen chinesischen Mafia beschäftigt. „Das Jahr des Drachen“ zeigt die Brutalität der Gangster und setzt diese der Brutalität Stanley Whites gegenüber, der als Einzelkämpfer für Recht und Ordnung sorgt. Von Rassismus keine Spur.

Als Großstadt-Thriller konzipiert, arbeitet er mit Elementen des Neo-Noir, die er mit den Merkmalen des modernen Gangsterfilms verbindet. Später sollte Ridley Scott eine ganz ähnliche Geschichte mit „Black Rain“ auf die Leinwand bringen. Cimono konzentriert sich in seinem Film auf die Charakterisierung der beiden Kontrahenten Joey Tai und Stanley White, wobei er beiden Figuren eine interessante Tiefe verleiht und ihnen gleichzeitig nichts schenkt.

Der Konflikt wird knallhart ausgetragen, die actionreiche Handlung nimmt dabei klare dramatische Züge an, die dem Film eine zusätzliche Wucht verleihen. Bei allem dominiert eine wunderbare Optik, die „Das Jahr des Drachen“ fast schon zu einem cineastischen Rausch werden lässt. Dies führt dazu, dass einem der Film gleich von Anfang an in seinen Bann schlägt.

Hinzu kommt natürlich die spannende Story, die ohne Kompromisse voranschreitet und in einem äußerst intensiven Höhepunkt kumuliert, der seinesgleichen sucht. 2015 erhielt der Regisseur beim Filmfestspiel von Locarno den Ehrenleopard für sein Lebenswerk.

Das Jahr des Drachen (Year of the Dragon). Regie: Michael Cimono, Drehbuch: Oliver Stone, Michael Cimono, Produktion: Dino de Laurentis, Darsteller: Mickey Rourke, John Lone, Ariane, Dennis Dun, Victor Wong. USA 1985, 134 Min.

 

 

 

Bitter Wash Road – Ein harter Krimi aus Australien

Garry Disher beweist immer wieder aufs Neue, dass er zu den besten Krimiautoren unserer Zeit zählt. So auch in seinem Roman „Bitter Wash Road“, der zum Krimi des Jahres gewählt wurde.

„Bitter Wash Road“ ist nicht nur der Titel des Buches, sondern zugleich der Name einer Landstraße, die sich durch das australische Nirgendwo schlängelt. Eines Tages wird dort die Leiche einer jungen Frau gefunden. Anscheinend wurde sie überfahren. Der Polizist Paul Hirschhausen, genannt Hirsch, der nach Tiverton strafversetzt wurde, ermittelt in dem Fall und deckt dabei Dinge auf, die andere lieber verschweigen wollen.

Wie auch in seinen übrigen Romanen, so erweist sich Disher auch hier als ein genauer Beobachter, der nicht nur das Verhalten der einzelnen Menschen studiert, sondern zugleich die gesamte australische Gesellschaft. Hier aus der Sicht eines Mannes, der zum verhassten Außenseiter katapultiert wurde, da er bei seiner vorherigen Dienststelle ein Netz aus Korruption ausgehoben hat, was vielen Polizisten ihren Job gekostet hat.

Dies hat sich schnell im Land herumgesprochen, sogar bis in das kleine Nest Tiverston. Dort scheinen die Bewohner nicht gerade gut auf die Polizei zu sprechen sein und sind daher verblüfft, dass Hirsch anders ist. Disher zeichnet in seinem Roman ein kaputtes System, in dem Inkompetenz, Rassismus und Korruption an der Tagesordnung stehen. Auf diese Weise wird Hirsch zu einem Kämpfer für Recht und Ordnung im doppelten Sinne: zum einen beim Lösen des Falles um die getötete junge Frau, zum anderen im Kampf gegen eine Clique Polizisten, die es auf ihn abgesehen haben.

All dies macht „Bitter Wash Road“ zu einem hervorragenden Krimi, von dem man sich wünscht, dass es mehr von dieser Sorte geben würde. Kurz: Ein spannender, erstklassig geschriebener Roman, der zurecht zum Krimi des Jahres gewählt wurde.

Serienmörder der DDR – Hans Thiers‘ neues Buch über die Kriminalgeschichte der DDR

Serienmörder treten in so ziemlich jeder Gesellschaft auf. So auch in der ehemaligen DDR, wo die meisten Fälle gelöst werden konnten. Kriminalrat a. D. Hans Thiers befasst sich mit diesem Phänomen in seinem neuen Sachbuch „Serienmörder der DDR“.

Wie bereits in seinen erfolgreichen Sachbüchern „Mordfälle im Bezirk Gera“ (zwei Bände), in denen Thiers Fälle schildert, in denen er selbst ermittelt hat, so geht es dem Autor auch in seinem neuen Buch nicht um Sensationslust oder reine Spannung. Die 12 sorgfältig recherchierten Fälle, welche die Jahre 1949 – 1990 abdecken, gehen auf die Biografien der Täter als auch der Opfer ein und beschreiben damit zugleich ihr soziales Umfeld. Daraus ergibt sich jeweils ein Gesamtbild des Geschehens, welches das jeweilige Tatmotiv innerhalb eines gesellschaftlichen Rahmens betrachtet.

„Serienmörder der DDR“ gibt interessante und spannende Einblicke in die damalige Rechtssprechung, in die Arbeit der Gutachter und in die Arbeit der Ermittler. Überaus interessant ist hierbei auch Thiers‘ Hinweis, dass die erste Erstellung eines Täterprofils in der DDR durchgeführt wurde – und nicht in den USA, wie manche fälschlicherweise glauben. Das FBI hat diese Methode später weiter entwickelt.

Den Kapiteln vorangestellt ist eine Einführung, die sich mit der Definition des Begriffs Serienmörder befasst. Die 12 Fälle selbst, in denen es nicht nur um männliche, sondern ebenso um weibliche Serienmörder geht, sind von Hans Thiers sehr detailliert und spannend erzählt. Dabei hatte er die Möglichkeit, mit den damaligen Ermittlern zu sprechen und deren Wissen in seine Texte einfließen zu lassen. Speziell daraus ergibt sich ein stets überaus lebendiges Bild der Tatumstände und der Polizeiarbeit. All dies macht „Serienmörder der DDR“ nicht nur zu einem lesenswerten Sachbuch, sondern zugleich zu einer wichtigen Arbeit im Hinblick auf die Kriminalgeschichte.

Hans Thiers. Serienmörder der DDR. Verlag Kirchschlager 2018, 286 Seiten, 19,95 Seiten, ISBN: 978-3-934277-75-5

 

 

Brickett Bottom – Ein atmosphärisch starkes Hörspiel

Der Autor Amyas Northcote (1864 – 1923) veröffentlichte nur einen einzigen Erzählband. In ghostly Company versammelte sämtliche seiner unheimlichen Erzählungen, die im Stil der Gespenstergeschichten von M. R. James gehalten sind. Aus dieser Sammlung stammt auch die Geschichte „Brickett Bottom“, die nun von Marc Gruppe und Stephan Bosenius als Hörspiel umgesetzt wurde.

Es geht darin um Reverend Arthur Maydew, der zusammen mit seinen beiden Töchtern Alice und Maggie aufs Land zieht, um dort für ein Jahr die Gemeinde eines Kollegen zu betreuen. Die wunderschöne Landschaft reizt Alice und Maggie, weite Spaziergänge zu unternehmen. Eines Nachmittags erblickt Alice ein altes Backsteinhaus. Aus irgendeinem unerklärlichen Grund lässt der Anblick dieses Gebäudes Alice nicht mehr los und sie beschließt, sich das Haus näher anzusehen. Mit unheimlichen Folgen …

Brickett Bottom gehört zu den besten Hörspielen, die Marc Gruppe und Stephan Bosenius bisher produziert haben. Die Produktion wird dem Konzept der Reihe Gruselkabinett voll und ganz gerecht. Von Anfang an herrscht eine dichte Atmosphäre, die u. a. auch durch die düstere Musik betont wird, welche das Geschehen untermalt. Auf diese Weise schleicht sich gleich zu Beginn das Unheimliche und Bedrohliche in die Geschichte ein.

Und diese Vorahnung soll sich dann auch im Laufe der Geschichte bestätigen. Denn auf einmal werden der Reverend und seine beiden Töchter mit einem unheimlichen Phänomen konfrontiert: einem einsam gelegenen Haus, das nur Alice sehen kann. Von diesem Moment an verhält sich Alice von Mal zu Mal sonderbarer. Maggie versucht, ihre Schwester auf andere Gedanken zu bringen, doch Alice lässt das Rätsel um das Haus nicht los, was zunehmend ihr Verhalten und ihre Psyche beeinflusst.

Wie immer überzeugen Marc Gruppes wunderbare Dialoge, welche die spannende Handlung vorantreiben und von hervorragenden Sprechern mit einer solchen Lebendigkeit erfüllt werden, dass man sich als Zuhörer wünscht, das Hörspiel möge ruhig noch eine Weile länger dauern. Man glaubt, die einzelnen Figuren direkt vor sich zu sehen, nicht anders verhält es sich mit der Landschaft und dem unheimlichen Haus, deren Beschreibungen auf wirkungsvolle Weise in die Dialoge mit einfließen.

Brickett Bottom ist ein erstklassiges Hörspiel, das einen genauso in den Bann zieht wie das Haus Alice. Die knapp über 50 Minuten Spielzeit vergehen dabei wie im Flug. Und danach? Danach hört man sich das Stück gleich nochmals an, da es so grandios umgesetzt ist.

Brickett Bottom. Buch: Marc Gruppe (nach einer Erzählung von Amyas Northcote), Produktion: Marc Gruppe, Stephan Bosenius, Sprecher: Bodo Primus, Horst Naumann, Daniela Bette, Reinhilt Schneider, Dagmar von Kurmin, Rolf Berg, Thomas Balou Martin. Titania Medien 2018, Spielzeit: ca. 51 Min. ISBN: 978-3-7857-5626-3

 

 

 

J-Pop: Band Maid – Cosplay trifft auf Punkrock

Sängerin Saiki Atsumi in dem Videoclip „Domination“; © Crown Records

Der Name Band Maid kommt daher, da Miku Kobato, die die Band 2013 gegründet hat, früher in einem Maid Café gearbeitet hat. Dabei handelt es sich um ein Lokal, in dem die weibliche Bedienung im Hausmädchen-Look die Bestellungen servieren. Das brachte Miku Kobato auf die Idee, dieses spezielle Aussehen auf ihre zukünftige Band zu übertragen.

2013 war es dann auch soweit, als die vierköpfige Band zum ersten Mal auftrat. Doch schnell merkten sie, dass es so nicht wirklich lief. Das Problem: Miku Kobato ist als Band-Leader zu klein und irgendwie unscheinbar. Aus diesem Grund kam schließlich die Sängerin Saiki Atsumi hinzu, die fast zwei Köpfe größer als Miku Kobato ist und die Band durch ihr charismatisches Äußeres wesentlich bereichert.

Band Maid in dem Videoclip „Thrill“; © Crown Records

Es ist kaum zu glauben, dass eine so kleine und zierliche Person wie Miku Kobato solche Hammersongs raushaut. Von Anfang an war für sie klar, dass Band Maid in Richtung Hard- und Punkrock gehen sollte. Und die Songs, die sie stets selbst schreibt, haben es in sich. Sie sind laut, rockig und rotzig. Ihre Texte gehen meistens darum, den eigenen Weg zu finden und sich von Männern nichts sagen zu lassen. Eingebettet ist dies gelegentlich in eine Kritik an Gesellschaft und Politik, wie z.B. in dem neuesten Song „Domination“.

Gleich einer der ersten Songs „Thrill“ haut den Zuhörer regelrecht um. Zu den aggressiven Gitarrenriffs und dem dröhnenden Bass und nicht zuletzt zum fast schon extatischen Schlagzeug, kommt noch Saiki Atsumis tiefe Stimme hinzu, deren Klang allein schon anzeigt, dass mit ihr nicht zu spaßen ist. Dadurch verleiht sie Miku Kobatos Texten das gewollte Ihr-könnt-mich-alle-mal-Image.

Band Maid in der speziellen Formation Band Maiko; © Crown Records

In Japan gehört Band Maid inzwischen zu den erfolgreichsten Punkrockbands. Ihre Konzerte sind stets ausverkauft. Kürzlich nahm Band Maid zusammen mit der Wagakki Band einen Song unter dem Namen Band Maiko auf, in dem (ganz im Stil von Wagakki) traditionelle Musik mit moderner Rockmusik verknüpft werden. Geplant ist anscheinend auch eine gemeinsame Tour der beiden Gruppen. Ob sie dabei auch nach Europa kommen werden, bleibt abzuwarten.

 

FuBs Klassikbox: Filmverrückt (1932)

Eigentlich ist jeder Film von Harold Lloyd einzigartig. In dieser Hinsicht fällt es wirklich schwer, eine Entscheidung zu treffen, welcher Film sein bester ist. Natürlich gibt es da „Ausgerechnet Wolkenkratzer!“ (Safety Last) aus dem Jahr 1923, der eine der berühmtesten Szenen der Filmgeschichte beinhaltet, oder „Why Worry“ (1925), ebenfalls einer seiner besten Filme, eine Mischung aus Komödie und Politsatire.

Bei seinen Tonfilmen zählt „Movie Crazy“ (Filmverrückt) zu den besten Produktionen. In der Komödie um Harold Hall, der bei seinen Eltern lebt, überaus tollpatschig ist und von einer Karriere in Hollywood träumt, reiht sich ein Gag an den anderen. Eines Tages beschließt Hall, auf die Annonce eines Filmstudios in der Zeitung zu antworten und schickt dem Filmproduzenten O’Brian ein Bewerbungsschreiben mit Foto – nur, dass er aus Versehen nicht sein eigenes Foto in den Brief steckt, sondern das eines Schauspielers.

Prompt wird Hall wegen seines guten Aussehens zu Probeaufnahmen eingeladen. Und da fängt das Chaos schon an. Denn kaum hat Hall das Büro des Produzenten betreten, scheucht dieser  ihn auch schon wieder hinaus, da Hall so gar nicht nach dem Schauspieler auf dem Foto aussieht. Hall gerät dabei von einem Schlamassel ins nächste. Er sorgt für Wirbel bei einer Filmaufnahme, trifft die bekannte Schauspielerin Mary Sears, deren Auto er halb zerstört, und bekommt es dann auch noch mit Marys Liebhaber zu tun.

Höhepunkt des Films ist schließlich Halls vermeintliche Einladung zu einem Filmball, in dem er mächtig für Trubel sorgt, hat er doch aus Versehen das Jackett eines Zauberers angezogen. Und dann ist da natürlich auch noch das Finale, indem Hall in die Schlüsselszene eines Films hineinplatzt und sich einen Kampf mit Marys Liebhaber liefert, wobei die ganzen Kulissen zerstört werden.

„Movie Crazy“ ist ein wahres Meisterwerk in Sachen Komödie. Die rasante Handlung gleitet temporeich voran, und stets dann, wenn man glaubt, dass dem Film die Puste auszugehen droht, setzt Harold Lloyd noch eins oben drauf. Dabei besitzt „Filmverrückt“, wie der Verleihtitel in Deutschland lautete, durchaus autobiographische Züge. Auch Harold Lloyd hatte große Schwierigkeiten, ins Filmgeschäft zu kommen, und nur mit einem Trick (er maskierte sich als schwarzer Statist) konnt er überhaupt das Filmgelände betreten.

Auf diese Weise scheint es, als wäre „Movie Crazy“ Lloyds Abrechnung mit Hollywood: der herrschsüchtige Produzent, die Diva, der Star, der sich als arroganter Wichtigtuer und Alkoholiker entpuppt. Aber dann gibt es auch die andere Seite: die bekannte Schauspielerin, die sich insgeheim nach einem normalen Leben sehnt und von Halls schlichtem Verhalten so sehr fasziniert ist, dass sie sich in ihn verliebt.

Wenn man daher noch keinen Film von Harold Lloyd gesehen hat, so sollte man mit „Movie Crazy“ beginnen. Das rasante Tempo, der Witz und nicht zuletzt die spannende Handlung machen den Film immer wieder von neuem zu einem wahren Vergnügen.

Movie Crazy. Regie: Clyde Bruckman/Harold Lloyd, Drehbuch: Vincent Lawrence, Produktion: Harold Lloyd, Darsteller: Harold Lloyd, Constance Cummings, Kenneth Thomson, Spencer Charters. USA 1932, 90 Min.

 

Leiser Tod – Der neue Krimi von Garry Disher

Der australische Schriftsteller Garry Disher gilt als einer der besten Kriminalautoren. Nominiert für den Booker Prize und Träger mehrerer anderer wichtiger Awards, gehen seine Romane weit über den Rahmen eines gewöhnlichen Krimis hinaus. Für ihn dient die Beschreibung der Polizeiarbeit nicht allein dazu, Spannung zu erzeugen, sondern um dadurch zugleich die moderne australische Gesellschaft zu analysieren.

So auch in seinem neuesten Roman „Leiser Tod“ („Whispering Death“), einem weiteren Roman aus der Inspector Challis-Reihe, in dem es gleich um mehrere Fälle geht, denen die Polizei von Waterloo nachgehen muss. Zum einen treibt sich ein brutaler Vergewaltiger in der Gegend herum, zum andern kommt es zu einer Reihe professioneller Einbrüche in Wohnhäuser reicher Leute.

Das interessante an „Leiser Tod“ ist, dass Disher darauf verzichtet, sich auf einen konkreten Fall zu konzentrieren. Vielmehr beschreibt er in dem Roman den Alltag der Polizei in der Kleinstadt Waterloo, in dem es die Ermittler mit mehreren Verbrechen gleichzeitig zu tun haben. Aus dieser Konstellation ergibt sich ein spannender Blick auf den ländlichen Raum Australiens, in dem nach und nach die einzelnen Fäden zusammenlaufen.

Im Fokus steht zum einen natürlich Inspector Challis, der Ärger mit seinen Vorgesetzten hat, da er die Probleme, mit denen die australische Polizei zu hat, öffentlich gemacht hat. Die Behörden geben lieber Gelder für Sportveranstaltungen aus als für die Ausstattung der Polizei. Kein Wunder also, dass die Kriminalitätsrate nach oben schießt, auch wenn die Behörden alles daran setzen, um die aktuellen Zahlen schön zu reden.

Zum anderen ist da Grace, eine professionelle Diebin, die nur in Luxushäuser einbricht, um ihre Beute später an einen Hehler zu verhökern. Allerdings steht auch sie vor einem Problem, denn ein frührerer Weggefährte ist ihr auf den Fersen, um sich an ihr zu rächen.

Disher verbindet all diese Handlungsstränge zu einem spannenden und dichten Ganzen, dem man sich nur schwer entziehen kann. Dabei skizziert er zugleich das Bild einer modernen Gesellschaft, in der die Moral kaum noch eine Rolle zu spielen scheint und die Individuen zunehmend verrohen. Egoismus ist an der Tagesordnung, und nur derjenige scheint obenauf zu schwimmen, der am besten weiß, wie man die anderen austricksen kann.

Garry Disher entwirft dadurch ein recht düsteres Bild Australiens, das sich durchaus auch auf andere Länder übertragen lässt. Liest man „Leiser Tod“, so hat man stets das Gefühl, dass die Gesellschaft kurz davor steht, im Chaos zu versinken, dass es nur mehr wenige Fäden gibt, die alles zusammenhalten. Dies macht den lesenswerten Roman zu einem konkreten Abbild unserer Zeit, die von sozialer Unsicherheit und sozialen Ängsten geprägt ist.

Garry Disher. Leiser Tod. Unionsverlag 2018, 347 Seiten, 22,00 Euro, ISBN: 978-3-293-00528-0

 

Mord im Orientexpress (2017)

Ob Kenneth Branagh mit dem Erfolg der Neuverfilmung von Agatha Christies „Mord im Orientexpress“ gerechnet hat? Auf jeden Fall hat der Erfolg die Kritiker überrascht – den Produktionskosten von ca. 55 Millionen Dollar stehen Einnahmen von ca. 350 Millionen Dollar gegenüber. Während die Hollywood-Produktionen ihre Existenz nur noch mehr dadurch zu legitimieren scheinen, indem sie den Zuschauern Computer generierte Effekte um die Ohren hauen, setzte Branagh auf das genaue Gegenteil: kaum Spezialeffekte, keine Action, sondern eine klassische Kriminalgeschichte, in der es allein darum geht, den Täter mit genialem Spürsinn zu entlarven.

Agatha Christie-Fans waren dennoch nicht ganz mit der Darstellungsweise einverstanden. Immerhin nahm sich Branagh die Freiheit heraus, der berühmten Figur Hercule Poirot graumeliertes Haar zu verleihen und nicht die von Agatha Christie beschriebene mit viel Pomade versehene schwarzhaarige Frisur. Insgesamt aber orientiert sich die Neuadaption recht genau an dem Roman, wobei er sich in der Anfangssequenz dann aber doch eine gewisse Eigeninitiative erlaubt, um die Genialität von Hercule Poirot dem Zuschauer deutlich zu machen.

Doch mit allem, was danach kommt, hätte die Queen of Crime sicherlich ihre Freude gehabt. Das Einzige, was fehlt, ist der berühmte Running-Gag der Poirot-Romane, in dem der Meisterdetektiv stets für einen Franzosen gehalten wird, obwohl er Belgier ist. Dies wandelte Drehbuchautor Michael Green, der auch an dem Skript zu „Blade Runner 2049“ mitgearbeitet hat, um in die stets falsche Aussprache von Poirots Vornamen.

Dem Film gelingt es jedenfalls, sowohl als Remake der berühmten Verfilmung von 1974 als auch als Adaption des Romans zu funktionieren. Auf diese Weise schwankt Branaghs Version stets zwischen Zitat und Adaption hin und her, wobei der Originalfilm mit der Hintergrundgeschichte eindeutig besser umgeht als die neue Version. Damals stellte man die Geschehnisse ganz in Form des postmodernen Horrorfilms in Szene, was dem Film einen rätselhaften und nicht weniger unheimlichen Rahmen verlieh, der bei Branagh fehlt.

Dennoch ist die Neuverfilmung sehr gelungen, unterhaltsam und spannend, auch wenn man als Agatha Christie-Fan die Lösung natürlich schon kennt. Doch geht es ja auch um Darstellungsweise und Atmosphäre und beides ist in „Mord im Orientexpress“ schlicht und ergreifend hervorragend. Man darf daher gespannt sein, wie Branaghs Version von „Tod auf dem Nil“ aussehen wird, die bereits in Vorproduktion gegangen ist.

Mord im Orientexpress. Regie: Kenneth Branagh, Drehbuch: Michael Green, Produktion: Ridley Scott, Darsteller: Kenneth Branagh, Michelle Pfeifer, Penelope Cruz, Willem Dafoe, Judi Dench, Johnny Depp, Josh Gad, Derek Jacobi, Leslie Odom Jr. USA 2017, 114 Min.

Blade Runner 2049

Nun hat es dann doch geklappt. 2011 kam es zu ersten Verhandlungen hinsichtlich einer Fortsetzung von „Blade Runner“. Sechs Jahre danach kam der fertige Film in die Kinos – und war nicht der Erfolg, den man sich erhofft hatte. „Blade Runner 2049“ konnte bisher die Kosten nicht einspielen. Das Hauptproblem: die meisten der jüngeren Zuschauer kennen das Original nicht und daher ging ihnen dieser Film am Allerwertesten vorbei.

Die Frage lautet wirklich, ob es einer Fortsetzung bedurft hätte. Gut, das Original lässt, rein auf die Handlung bezogen, offen, ob Rick Deckard nun auch ein Replikant ist oder nicht, wobei die Symbolik des Films hier eine klarere Sprache spricht. Wie dem auch sei, „Blade Runner 2049“ spielt 30 Jahre nach der Originalhandlung. Dieses Mal ist es der Blade Runner K, der nach einem verschwundenen Kind suchen soll, das eigentlich nicht existieren dürfte, soll es sich dabei doch um das Kind zweier Replikanten handeln.

Regie führte Denis Villeneuve, der spätestens durch seinen SF-Film „Arrival“ (2016) gezeigt hat, dass heutiges Kino auch anders kann, nämlich eine interessante Handlung mit hohem Anspruch zu verbinden. Ein Aspekt also, für den Hollywood seit Jahren nicht mehr steht. Seinen hohen Anspruch an Ästhetik, Handlung und Symbolik übertrug Villeneuve auch auf „Blade Runner 2049“, zum Ärger Ridley Scotts, der das Sequel als viel zu langsam und ereignisarm bezeichnet hat.

Aber genau das macht diesen Film zu einer hervorragenden Produktion, die den Themen, mit denen sich Philip K. Dick in seinen Romanen beschäftigte, gerecht wird. Der Film ist in der Tat langsam, kommt manchmal beinahe zum Stillstand, und schafft dabei einen absoluten Gegenpol zum derzeitgen schnellen und inhaltsleeren Blockbusterkino. Denn „Blade Runner 2049“ ist fast schon so etwas wie eine Meditation um die Frage nach der eigenen Identität, nach der eigenen Herkunft, nach Moral und Religion. Wie gesagt, alles Themen, mit denen sich Dick in seinen Werken auseinandersetzte.

So bezieht sich der Film auch immer wieder auf Kurzgeschichten und Romane Philip K. Dicks, wie etwa die riesigen Müllberge oder eben auch das Kind, das anders ist als die anderen. Hinzu kommen Zitate auf Filmklassiker wie etwa „Solyent Green“ und „M.A.R.K. 13“. Und nicht zuletzt ist natürlich auch der Name der Hauptfigur K eine Anspielung auf den amerikanischen Schriftsteller.

„Blade Runner 2049“ ist ein Film, der sich tatsächlich mit den Themen, die er anspricht, beschäftigt und sie nicht nacheinander abhakt, um danach schnell in sinnlose Daueraction überzugehen. Nein, der Film ist etwas Besonderes. Die elgenate Kameraführung, die bis ins Detail liebevoll gestalteten Kulissen, die Spezialeffekte und nicht zuletzt die wunderbare Farbgebung, die sich klarerweise an dem Original orientiert, sich zusätzlich aber auch auf andere Filme der 80er Jahre bezieht – in Villeneuves Regiearbeit findet Kino zurück zu seiner eigentlichen Ausdrucksstärke.

„Blade Runner 2049“ ist ein Film, der vollkommen überzeugt, eine durchaus mutige Produktion, die sich bewusst gegen den Mainstream stellt, obwohl sie zugleich Mainstream ist. Auf diese Weise wird der Film selbst zu einer Sinnsuche innerhalb des derzeitigen Hollywood-Kinos.

Blade Runner 2049. Regie: Denis Villeneuve, Drehbuch: Hampton Fancher, Michael Green, Produktion: Andrew A. Kosove, Broderick Johnson, Bud Yorkin, Darsteller: Ryan Gosling, Harrison Ford, Ana de Armas, Sylvia Hoeks, Robin Wright, Carla Juri, Jared Leto. USA 2017, 163 Min.