Spiel um dein Leben – Blutige Wettkämpfe als Sozialkritik

Die koreanische Netflix-Serie „Squid Game“ (2021) gilt als eine der erfolgreichsten Serien überhaupt. Doch die grundlegende Idee ist dabei keineswegs neu. Der Kampf ums Überleben als „Spiel“ findet sich bereits in dem Horrorfilm „The most dangerous Game“ (Graf Zaroff – Genie des Bösen) aus dem Jahr 1932.

In dem Film geht es um den Reiseschriftsteller Bob Rainsford, der zusammen mit der attraktiven Eve Trowbridge bei einem Schiffbruch auf einer einsame Insel strandet. Doch so einsam ist diese Insel nicht, wohnt dort doch Graf Zaroff, ein absoluter Jagdfanatiker, dessen Hauptvergnügen die Jagd auf Menschen ist. Auf diese Weise werden Bob und Eve zu seinen neuesten Opfern.

Der Film (Regie: Ernest B. Schoedsack) wurde parallel zu „King Kong“ gedreht. In beiden Filmen spielt Fay Wray die weibliche Hauptrolle. Der nach einer Kurzgeschichte von Richard Connell gedrehte Film wirkt zwar wie ein Abenteuerfilm, ist im Grunde jedoch ins Horrorgenre zu verorten. „The most dangerous Game“ war damals sehr erfolgreich und gilt heute als einer der Klassiker des phantastischen Films.

1970 drehte Regisseur Tom Toelle den TV-Film „Das Millionenspiel“, mit Dieter Hallervorden in einer der Hauptrollen. Der SF-Thriller basiert auf einer Kurzgeschichte von Robert Sheckley. Es geht um eine TV-Show, in der ein Kandidat eine Woche lang vor Auftragskillern flüchten muss.

Der Film war wie eine echte TV-Show konzipiert (Dieter Thomas Heck als Moderator), sodass viele Zuschauer glaubten, einer echten Show beizuwohnen und sich sogar dafür bewerben wollten. „Das Millionenspiel“ gilt heute sowohl national als auch international als Klassiker des Fernsehfilms.

1987 drehte Robert Michael Glaser „The Running Man“, nach einem Roman von Stephen King, den er allerdings unter seinem Pseudonym Richard Bachmann veröffentlicht hat. Hier geht es ebenfalls um eine Spielshow im Fernsehen, in dem die Protagonisten allerdings aus Gefangenen bestehen. Einer von ihnen ist Ben Richards, der bei einer Demonstration festgenommen wird. Zusammen mit einer Gruppe anderer Gefangener muss er nun verschiedene Spielzonen passieren, in denen er und seine Freunde ums Überleben kämpfen müssen.

Der SF-Film macht sich ganz klar lustig über Medien und Medienkonsum. In Deutschland verstanden dies unsere FSKler mal wieder nicht und indizierten den Film. Inzwischen wurde die Indizierung wieder aufgehoben. Wie auch die beiden oben genannten Filme, zählt „The Running Man“ als Klassiker.

Im Jahr 2000 drehte der japanische Regisseur Kinji Fukasaku einen der wohl umstrittensten Filme mit dem Titel „Battle Royale“. Der Film basiert auf dem gleichnamigen Roman von Koshun Takami. Es geht um eine Gruppe Schüler, die auf einer Insel ausgesetzt werden, wo sie ums Überleben kämpfen sollen.

Japanische Behörden wollten den Film verbieten, scheiterten jedoch. Dennoch durften Jugendliche unter 15 Jahren den Film nicht sehen. In Deutschland wurde „Battle Royale“ kurz nach Veröffentlichung beschlagnahmt, inzwischen aber wieder freigegeben. Die Kritik des Films richtet sich gegen das japanische Schulsystem als auch gegen die Arbeitswelt. Wahrscheinlich sollte der Film gerade wegen dieser Kritik unter den Teppich gekehrt werden – etwas Ähnliches sollte mit „Shoplifters“ getan werden, der die japanische Gesellschaft als Ganzes kritisiert. Den Film als Klassiker zu bezeichnen, ist sicherlich übertrieben. Dennoch blieb der Film vor allem wegen der Kritik, die er auf sich zog, im Gedächtnis.

2021 drehte der koreanische Regisseur Hwang Dong-Hyuk die neunteilige Netflix-Serie „Squid Game“. Eigentlich hatte Hwang daraus einen Spielfilm machen wollen, doch wurde sein Konzept bei den verschiedenen Produktionsfirmen abgelehnt. Erst Netflix war davon angetan und so wurde aus der Spielfilmidee eine Serie.

Es geht um Gi-Hun, der hochverchuldet ist und daher unbedingt an Geld kommen muss. Da begegnet er einem Mann, der ihn zu einem Spiel einlädt, bei dem viel Geld zu gewinnen ist. Was Gi-Hun jedoch nicht ahnt, ist, dass es bei dem Spiel ums nackte Überleben geht.

Mit seiner Serie erfand Hwang Dong-Hyuk das Rad zwar nicht neu, dennoch schuf er eine gewitzte Satire auf Geldgier und den Kapitalismus im Allgemeinen. Natürlich regten sich in Deutschland die Pädagogen über die Serie auf, da sie die oben genannten satirischen Elemente nicht verstanden. Aber das ist ja nichts Neues – siehe z.B. die Diskussion Mitte der 80er Jahre über „Hellraiser“. „Squid Game“ ist sehr gut gemacht und beinhaltet neben seinem schwarzen Humor auch Anspielungen auf verschiedene Filme, die z.B. von „Dr. Phibes“ bis zu „The Running Man“ reichen.

Das Motiv von Menschenjagd als Spiel taucht immer wieder im Film auf. Dabei ist das Motiv verbunden mit Gesellschaftskritik und Kritik an Politik und Medien. Aufgrund ihrer Kritik, die sie mit einem zentralen Merkmal menschlicher Kultur, dem Spiel, verbinden, ecken sie stets an. Denn mit Spiel verbindet man in der Regel etwas Lustiges und etwas, das Spaß macht, sowie Erinnerungen an die Kindheit, in deren Phase sie auch zur Sozialisation beitragen.

Und Spiel als etwas Grausames und Unmoralisches bezeichnen? Das würde bedeuten, dass Gesellschaften unmoralisch sind bzw. sich in unmoralische Konstrukte verwandeln. Genau das zeigen diese Filme auf. Nicht die Moderne und auch nicht die Postmoderne brachten die ersehnte Utopie, sondern verkamen und verkommen in einer grundlegenden Dystopie. Jeder ist sich selbst der Nächste, die Zunahme der Gewalt, zunehmender Hass, zunehmendes asoziales Verhalten – all dies sind Aspekte, die Bestandteil heutiger Gesellschaften sind. Und genau diesen wunden Punkt berühren die oben genannten Filme, wobei sie die unschönen Seiten moderner bzw. postmoderner Gesellschaften gehörig durch den Kakao ziehen.

Besonders in heutiger Zeit ist dies wichtiger denn je. Denn die Kritik selbst wird zurzeit immer mehr zu einem unbeliebten Aspekt, dem sich viele Menschen (auch in der akademischen Welt) nicht mehr stellen wollen und sich daher in ihren eigenen kleingeistigen Blasen verkriechen. Filme werden aus diesem Grund in Sachen Gesellschaftskritik immer harmloser, leerer und verweichlichter. Filme bzw. Serien wie „Squid Game“ jedoch halten den Zuschauern gekonnt einen Spiegel vor. Nicht jedem gefällt dies. Und genau deswegen sind sie notwendig.