Die Klunkerecke: Eugenie

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Deutsches Kinoplakat von „Eugenie“.

Jess Franco wird von vielen Kritikern als der Schmuddelregisseur schlechthin bezeichnet. Doch damit wird man dem Schüler von Orson Welles alles andere als gerecht. Wie kaum ein anderer Regisseur gelang es ihm, Trash auf eine neue Ebene zu heben. Erst seit wenigen Jahren beginnen auch Filmhistoriker, sich mit seinem Werk auseinanderzusetzen. Bis dahin galt er als trivial und pornographisch.

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Christopher Lee als Zeremonienmeister in „Eugenie“ (1970).

Ein Beispiel seines Könnens ist „Eugenie – Her Journey into Perversion“ aus dem Jahr 1970, der in Deutschland unter dem Titel „Eugenie – Die Jungfrau und die Peitsche“ lief. Es handelt sich dabei um eine Adaption eines Buches von De Sade, den Jess Franco für mehrere seiner Filme als Vorlage nahm, so z.B. in dem 1969 gedrehten „Justine“. In „Eugenie“ geht es um die verdorbene Marie, die zusammen mit ihrem Halbbruder Mirel auf einer einsamen Insel lebt. Beide planen ein Opfer an die Lust, benötigen für dieses Ritual aber noch eine Jungfrau. Diese finden sie in Eugenie, der Tochter eines Bekannten Marias. Maria lädt Eugenie für ein Wochenende zu sich auf die Insel ein. Und die Vorbereitungen auf das Ritual beginnen …

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Maria (Maria Rohm) becirct Eugenie (Marie Liljedahl); „Eugenie“ (1970).

Christopher Lee, der hier die Rolle des Zeremonienmeisters innehatte, soll sich über seine Teilnahme an dem Film geschämt haben. In einem Interview sagte er, er habe nicht gewusst, um was für einen Film es sich gehandelt habe. Er habe lediglich Jess Franco einen Gefallen geschuldet. Nun, schämen müssen hätte sich Christopher Lee keineswegs, denn „Eugenie“ ist ein kunstvolles, ja ein surreales Meisterstück.

Neben Lee spielen Trash-Ikone Maria Rohm, Jack Taylor und Herbert Fux mit. Eugenie wird von dem schwedischen Fotomodell Marie Liljedahl verkörpert. Die Musik stammte von Bruno Nicolai, der bei vielen Trash-Perlen der 70er Jahre mitgearbeitet hatte, u. a. auch bei „Camille 2000“, eine der bekanntesten Adaptionen von Dumas des Jüngeren „Kameliendame“.

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Mirel (Jack Taylor) erwartet die Teilnehmer des Rituals; „Eugenie“ (1970).

Möglicherweise betrachteten damalige Kritiker „Eugenie“ als eine Art Softporno. Aus heutiger Sicht würde man den Film eher in die Kategorie Arthouse stecken. Wunderbare Landschaftsaufnahmen wechseln sich ab mit einer Optik, die irgendwie an die Coolness des Film Noir erinnert. Die Dialoge reflektieren bzw. betonen den surrealen Charakter des Spiels. Den traumartigen Rahmen setzt Franco bereits in der Anfangsszene, in der in einem tiefrot ausgeleuchtetem Set Christopher Lee eines der Lustopfer durchführt. Dieses (Alp-)Traumhafte wird ab der Hälfte des Films wieder aufgegriffen, als die Glocke am Steg die Ankunft der bizarren Sekte (deren Anführer Chrisopher Lee ist) ankündigt, die an dem Ritual teilnehmen soll. Danach verschwimmen Traum und Realität ineinander. Erneut setzen tiefrote Farben ein, welche die Szenerie beleuchten.

Alles gipfelt in einem apokalyptisch anmutenden Wahnsinn, wenn Eugenie nackt über eine völlig verlassene Gegend taumelt. Und am Ende? Hier wird weiter nichts verraten. Man muss den Film selbst sehen, seine Optik genießen.

„Eugenie“ ist ein Meisterwerk des Trash und zeigt Jess Franco in Höchstform. Die Mischung aus Erotik, surrealem Kunstwerk und Horror sucht ihresgleichen. Aus welchem Grund auch immer ist der Film hauptsächlich nur Jess Franco- und Trash-Fans bekannt. Vielleicht aber ändert sich das ja irgendwann.