Winnetou reitet wieder: Die Neuverfilmung des Klassikers

winnetou2016Die Karl May-Filme der 60er Jahre, in denen Lex Barker als Old Shatterhand und Pierre Brice als Winnetou gegen diverse Bösewichte kämpften, sind Klassiker des europäischen Kinos. Nun hat man sich erneut des Stoffes angenommen, dieses Mal allerdings fürs Fernsehen.

Erneut wählte man als Kulisse die Naturlandschaften Kroatiens, die einmal mehr als Wilder Westen herhalten muss. Geplant und produziert wurden insgesamt drei Filme mit den Titeln „Eine neue Welt“, „Das Geheimnis vom Silbersee“ und „Der letzte Kampf“. Die Neugierde war natürlich groß, was RTL aus dem Klassiker machen würde. Den Film „Eine neue Welt“ konnten wir nun vorab sichten.

Die Handlung spielt im Jahr 1860. Karl May reist in die USA, um dort am Bau der Eisenbahn mitzuwirken. Doch schnell muss er feststellen, dass sich seine romantischen Vorstellungen vom Wilden Westen mit der Realität nicht decken. Besonders schockiert ihn dabei, wie die weißen Siedler mit den Indianern umgehen. Nach einem Überfall von Apachen auf einen Vermessungstreck, wird Karl May schwer verwundet in die Siedlung der Indianer gebracht. Diese verleihen ihm den Namen Old Shatterhand, da er hervorragend boxen kann. Nachdem er von Winnetous Schwester Nscho-tschi gesund gepflegt wird, nimmt er gemeinsam mit Winnetou den Kampf gegen die Eisenbahnbauer auf.

Regisseur Philip Stölzl hatte großes vor, als er sich des Klassikers für eine Neuverfilmung annahm. Immerhin haben sich die Abenteuerfilme von Harald Reinl tief ins popkulturelle Bewusstsein Deutschlands eingegraben – und nicht weniger in die Geschichte des deutschen Films. Wer Old Shatterhand sagt, denkt zugleich an Sexy Lexy, und bei Winnetou ist es Pierre Brice, der aufgrund seiner Ähnlichkeit mit Alain Delon in Frankreich keine Karriere machen konnte.

Für Stölzl war es wohl klar, dass er Harald Reinls „Handschrift“ nicht imitieren wollte. So setzt er statt auf ein rasantes Voranschreiten der Handlung mehr auf eine epische Breite. Die einzelnen Szenen sind hierbei sehr sorgfältig konzipiert, und Stölzl zeigt, was in vielen deutschen Filmen fehlt: eine hervorragende Optik. Weite Landschaftsaufnahmen, wie es sich für einen Western gehört, wechseln sich ab mit eleganten Kamerafahrten. All das wird ergänzt durch eine schöne Farbgebung. Auch bei den Kostümen und den Masken hat man sich wirklich Mühe gegeben: so erkennt man Jürgen Vogel als brutalen Vorarbeiter Rattler kaum wieder.

Stölzl lässt sich mit der Entfaltung des Konflikts Zeit – und schafft dennoch keine Langeweile. Während in den Filmen der 60er Jahre ständig irgendetwas passierte, setzte der Regisseur des neuen Winnetou auf die oben genannte Optik. So ist der Film vor allem ein Fest fürs Auge. Dies allerdings auf Kosten der Action, denn diese ist, im Vergleich mit dem Original aus dem Jahr 1963, dann doch eher spärlich gesät.

Was die Schauspieler betrifft, so standen auch sie vor einer großen Aufgabe. Sowohl Wotan Milke Möhring als Old Shatterhand bzw. Karl May als auch Nik Xhelilaj als Winnetou verleihen den Figuren neues Leben. Während Xhelilaj auf den Spuren Pierre Brices wandelt, versucht sich Möhring in einer durchaus originellen Darstellung Old Shatterhands, indem er versucht, die Charakteristik eines deutschen Quasi-Auswanderers mit derjenigen eines klassischen Helden zu verbinden.

Winnetou 2016 ist für einen TV-Film erstklassig. Es ist schade, dass man sich nicht an einen Kinofilm herangewagt hat. Doch als Trost erklingt immerhin Martin Böttchers bekannte Winnetou-Melodie, wenn auch nur in Ansätzen. Aber zusammen mit den wunderbaren Aufnahmen erzeugt dies einen neuen Hang zum Abenteuer. Und das ist, was zählt.

Winnetou: Eine neue Welt. Regie: Philip Stölzl, Drehbuch: Jan Berger, Produktion: Christian Becker, Darsteller: Nik Xhelilaj, Wotan Milke Möhring, Iazua Larios, Jürgen Vogel, Milan Peschel, Oliver Masucci. Deutschland 2016, 117 Min.

Robert Siodmak – Meister von Licht und Schatten

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Robert Siodmak

Salopp formuliert könnte man sagen, dass der Hauptbestandteil des Film Noir coole Typen und heiße Frauen sind. Doch bezieht man sich dabei mehr auf den historischen Ursprung des Stils, der sich in den Kriminalheftchen der 30er und 40er Jahre findet. Film Noir ist bei weitem mehr. Er ist zum einen eine Hinwendung zur wahren Filmkunst, zum anderen eine Art Spiegelung der jeweiligen Gesellschaft. Im Zentrum stehen vom Schicksal geplagte Figuren, die vergeblich versuchen, den Weg in ein normales Leben zu führen.

Ein weiteres Merkmal, das sich auf die Machart dieser Filme bezieht, ist, dass vornehmlich in Schwarzweiß gedreht wurde. Heute ist dies kein Muss mehr, auch wenn die „Sin City“-Filme teilweise dieses Element als zentralen Aspekt zelebrieren. Auch stammen Filme, die dem Film Noir zugerechnet werden, nicht mehr allein aus den USA. So ist zum Beispiel der koreanische Thriller „Happy End“ (1999) ein vortreffliches Beispiel für das koreanische Äquivalent.

Der erste Film, der dem Film Noir zugesprochen wird, ist der Krimi „Die Spur des Falken“ (1941) von John Hutson. Als einer der wichtigsten Regisseure des Film Noir zählt Robert Siodmak (1900-1973). Der deutsche Regisseure wurde mit seiner UFA-Produktion „Menschen am Sonntag“ (1930) berühmt, einem Film, der hauptsächlich mit Laiendarstellern gedreht wurde. Kurz nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten floh Siodmak zunächst nach Frankreich. Ende der 30er Jahre kam er in die USA, wo er in Hollywood relativ schnell Anschluss fand. Seine erste Dreharbeit war der Universal-Film „Draculas Sohn“ (1943).

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Die Wendeltreppe

Bereits zwei Jahre später sollte er einen ersten Klassiker schaffen. Mit „Die Wendeltreppe“ (1945) kreierte er eine dichte Mischung aus Suspense, vermischt mit Ansätzen des Horrorfilms, dessen Stil in den 70er und 80er Jahren u. a. von Dario Argento übernommen wurde. Die berühmte Szene in „Die Wendeltreppe“, in welcher die gehörlose Helen einen weißen Zaun panisch entlang läuft, da sie sich verfolgt fühlt, findet sich beinahe eins zu eins in Argentos „Tenebre“ (1982) wieder. „Die Wendeltreppe“ handelt von der jungen Frau Helen, die in einem abgelegenen Haus als Dienstmädchen arbeitet. In der unmittelbaren Umgebung geht ein Serienmörder um, dessen Opfer behinderte Frauen sind.

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Rächer der Unterwelt

Interessanterweise betrachtete Siodmak seine Filme selbst nicht als Kunst, sondern eher als bloße Arbeit, um damit sein Geld zu verdienen. Das änderte sich auch nicht durch seinen zweiten Beitrag zum Film Noir mit dem Titel „The Killers“ (Rächer der Unterwelt; 1946). Darin geht es um die rätselhafte Ermodung eines Tankwarts in einer Kleinstadt. Der Mann war unter der Bevölkerung als der Schwede bekannt. Ein Versicherungsagent versucht das Geheimnis des Mordes zu lösen und deckt dabei die tragische Geschichte des ehemaligen Preisboxers auf. Der Film basiert auf einer Geschichte Ernest Hemingways. Siodmak verbindet in dem Film eine fast vollkommene, düstere Poesie mit drastischer Realität. Die Anfangssequenz, in der zwei Auftragskiller in ein Café kommen und den Besitzer bedrohen, ist unglaublich spannend und nervenzerrend in Szene gesetzt. „The Killers“ wurde ein enormer Erfolg. Robert Siodmak  ebnete damit seine weitere Karriere. Aber auch die beiden damals unbekannten Hauptdarsteller Burt Lancaster und Ava Gardner wurden durch den Film über Nacht zu Stars.

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Der schwarze Spiegel

Noch im selben Jahr brachte Siodmak mit „The dark Mirror“ einen weiteren Kassenschlager in die Kinos. In diesem Film geht es um den Mord an einem Arzt. Verdächtigt wird eine junge Frau, die jedoch ein perfektes Alibi vorweisen kann, das auch bei mehreren Verhören nicht zusammenbricht. Inspector Stevenson ist dennoch überzeugt von ihrer Schuld und lässt daher einen Psychologen den Fall übernehmen. Scott Elliot soll herausfinden, ob Terry schizophren ist. Elliot kommt bei seiner Untersuchung auf ein ganz anderes Ergebnis … – Auch dieser Film ist unglaublich dicht und spannend umgesetzt. Von Anfang an spielt Siodmak mit den Erwartungen der Zuschauer, lässt sie miträtseln und quasi an der Auflösung des Falles direkt teilhaben. „The dark Mirror“ war nominiert für einen Oscar in der Kategorie Bestes Originaldrehbuch.

pyramidedessonnengottesNach seinen letzten beiden Film Noir-Streifen „Schrei der Großstadt“ (Cry of the City; 1948) und „Strafsache Thelma Jordon“ („The File on Thelma Jordon“; 1950), drehte Siodmak den Abenteuerfilm „Der rote Korsar“ (1952), bevor er zurück nach Europa kehrte. Irgendwie verließ ihn hier seine Muse. Seine Filme wirken weniger gekonnt als seine Arbeiten, die er für Hollywood gedreht hatte. Als künstlerischer Tiefpunkt gilt die Karl May-Verfilmung „Die Pyramide des Sonnengottes“ (1965), die, was vor allem die Montage betrifft, überaus schlecht gemacht ist. Selbst die Schauspieler wirken lustlos und scheinen bei den Aufnahmen mit ihren Gedanken ganz woanders gewesen zu sein. Siodmaks letzte Filmproduktion war der Zweiteiler „Kampf um Rom“ (1968).

Über Robert Siodmak, der sich selbst weniger als Künstler, sondern eher als Arbeiter verstand, geht die Meinung von Filmhistorikern und Kritikern weit auseinander. Während die einen ihn als unvergleichlichen Filmemacher feiern, ist er für andere lediglich ein Auftragsregisseur gewesen. Aber egal, in welche Kategorie man ihn einfügt, sicher ist, dass er Klassiker des Kinos geschaffen hat.